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INGOs NÖHRgeleien 2025

von Ingo Nöhr

Der Tsunami-Effekt

Ingo Nöhr zum 1. April 2025

Ein Generalmajor der US-Marines, Smedley Butler, beschrieb 1935 in seinem berühmten Anti-Kriegs-Manifest „War is a Racket“ seine Erkenntnis: „Man kämpfte gar nicht so sehr für Volk, Vaterland, eine noble Sache oder den Frieden. Sondern für Interessen von Familien und Firmen, als Söldner eines Syndikats oder Krieger für den Kapitalismus. Krieg als stellvertretende Schlägerei über unbeteiligte, aber leidende Dritte. Die kürzlich geleakten Signal-Chats aus der obersten US-Kommandozentrale zeigen ein seltenes Dokument schonungsloser Realpolitik in Sachen Krieg. Man kann sie lesen wie ein Theaterstück mit verteilten Rollen. Sollen wir Krieg führen, ist gar nicht mehr die Frage, sondern wann. Die Gründe sind taktisch, die Kosten plant man den Europäern aufzuerlegen. Auch ein Business-Modell. Man nennt es wohl: Kriegerische Geschäftsführung ohne Auftrag.“

Hieran erinnert der deutsche Journalist Milosz Matuschek, langjähriger Kolumnist der Neuen Zürcher Zeitung und anderer Presseorgane in seinem Substack-Blog. In leider zu vielen Gegenden der Welt kann man die bittere Wahrheit dieser steinzeitlichen „Schlägereien“ noch heute verfolgen. 

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Hallo Ingo, hast du den letzten Monat unbeschädigt überstanden?

  • Nun ja, Jupp. Die Nachrichten erinnern mich immer starker an die Vorstellung eines absurden Theaterstücks, dessen Autor gerade einen Drogen-Horrortrip überstanden hat. Allein schon die Fragen: Sind unsere Krankenhäuser für die Versorgung im Kriegsfall gerüstet? Sollen wir unterirdische Intensivstationen bauen? Da lobe ich mir die Empfehlung der US-Behörden in den 1950er Jahren, sich bei einem Atomschlag eine Aktentasche auf den Kopf zu halten.

Ingo, ich darf dir verraten, dass ich einen ähnlichen Aprilscherz vorbereiten wollte. Aber ich habe es aufgegeben. Die heutige Realität überholt jegliche kaputte Fantasie.

  • Das passt ja gut. Ich hatte auch vor, dich in den April zu schicken. Da mir nichts Passendes einfiel, habe ich die KI ChatGPT zur Politik befragt. Die schwafelte mir etwas von Präsident Joe Biden vor und hatte noch nicht mitbekommen, dass Donald Trump und Elon Musk nun ihr Unwesen treiben. Da änderte ich das Thema und befragte die KI nach Aprilscherzen zum Thema KI und Robotik im Gesundheitswesen. Nun ja, etwas besser. Du kannst die zehn Ideen hinten im Anhang unseres Chronistenberichtes lesen.

Ja, Ingo, worüber reden wir jetzt? Die Politik haben wir schon abgehakt, KI und Robotik werden auch täglich durchgenudelt. Vielleicht werden wir auch bald als Chatbots ersetzt und endgültig aufs Altenteil verlagert. Hast du vielleicht etwas Interessantes gelesen?

  • Ja, Jupp, das habe ich. Und es hat sogar eine hohe Aktualität. Du erinnerst dich an unser letztes Gespräch, als ich dir den Drei-Minuten-Vortrag von Prof. Peter Kruse vorgestellt habe, den er vor 14 Jahren bei einer Kommission des Bundestages gehalten hat. Jetzt habe ich mir sein Buch gekauft, welches er 2004 geschrieben hat: „next practice – Erfolgreiches Management von Instabilität – Veränderung durch Vernetzung“. Da nutzt er die Theorie dynamischer Systeme, insbesondere die Selbstorganisations- und Chaostheorie für die Beratung von Transformationen in Unternehmen und Institutionen.

Oh mein lieber Ingo, jetzt kommt schon wieder dein Lieblingsthema: die komplex-dynamischen Systeme. Heutzutage ist doch alles komplex und dynamisch geworden: die Umwelt, die Familie, die Städte, Länder- und Bundespolitik sowie letztendlich die Weltpolitik. Der Titel Instabilität passt ja haargenau auf unsere gegenwärtige Situation. Und kann dein Professor nun ein Patentrezept vorschlagen?

  • Kein Rezept, aber gute Erklärungen und Prognosen. Die Selbsterregung von Netzen in der dritten Stufe des Internets kann durch die Resonanz mächtige Bewegungen von Gruppen auslösen, die politisch durch das nichtlineare Verhalten nicht mehr zu kontrollieren sind.

Ich erinnere mich gerade an den „arabischen Frühling“, der eine Revolution ausgelöst hat, aber dann weitgehend erloschen ist. Oder denkst du an die gegenwärtigen millionenfachen Demonstrationen der Türken gegen die Inhaftierung ihres Istanbuler Bürgermeisters und gegen die Erdogan-Regierung?

  • Ja, in diese Richtung denke ich bei Kruses Begriffs des „Tsunami-Effektes“. Ein Seebeben auf hoher See löst eine gewaltige Tiefenwelle aus, die an der Oberfläche kaum bemerkt wird, aber beim Auftreffen auf das Ufer meterhohe Wellentürme aufbaut. Ich glaube, dass die Istanbuler Bevölkerung aus Protest in Resonanz geraten ist. Und ich sehe die ersten Vorboten auch schon in den USA. Elon Musk ist dafür der passende Sensor, erkennbar am massiven Verfall seiner Tesla-Aktien. Deswegen bin ich sicher, dass die Trump-Administration keine vier Jahre überleben wird.

Wow, Ingo, das ist ja endlich mal wieder eine knallharte Prognose von dir, die wir später überprüfen können. Aber du sagst doch selbst, dass wir uns in Deutschland ebenfalls in ein unentwirrbares Gesetzes- und Bürokratie-Chaos verstrickt haben, welches nur durch einen drastischen Kahlschlag gelöst werden kann wie die DOGE-Rabauken in den US-Behörden gerade durchziehen.  

  • Nun ja, so eine Entschlackung der „fetttriefenden Strukturen“ muss natürlich mit Augenmaß von Experten durchgeführt werden. Die Dilettantentruppe der Trump-Regierung richtet mit ihrer Kettensäge einen unermesslichen Schaden an, indem sie die lebensnotwendigen Kernsubstanzen gleich mit zerstört. Damit wird das komplexe System zusammenbrechen bzw. ist nicht mehr arbeitsfähig. Es gibt anscheinend überhaupt keinen konkreten Plan oder Konzept, wie das Nachfolgesystem auszusehen hat. Somit wird alles der Raubkapitalismus regeln, vertreten durch das kleine Netzwerk der Superreichen. Die Zerschlagung von US-AID wird Millionen Menschenleben kosten, die bislang von den medizinischen Hilfen abhängig waren.

Ah, ich verstehe Ingo. Der Tsunami-Effekt baut sich, noch unbemerkt, in den Tiefen der Weltbevölkerung auf, bis er endgültig in einem vernichtenden Brecher zuschlägt. Nämlich dann, wenn die Verlierer in Resonanz treten, und das wohl über das Internet und nicht über die kontrollierbaren öffentlichen Medien. So wie bei uns die AfD-Wähler, stelle ich mir vor. Das herrschende System wird instabil. Dein Professor schreibt laut Titel in seinem Buch von einem „erfolgreichen Management von Instabilität“. Wie muss ich mir das dann vorstellen?

  • Gut gefragt, Jupp. Prof. Kruse definiert die Veränderung als Transformation in ein neues, stabileres System und sieht darin die Innovation. Die Herausforderung von Changemanagement ist aber die uralte menschliche Bequemlichkeit, der zu Widerständen jeglicher Veränderung führt, weil man sich im alten System behaglich eingerichtet hat. „Das haben wir immer so gemacht und es hat gut funktioniert“ – „Never change a winning team“ und so weiter. Wer hier mit der Kettensäge brutal geliebte Gewohnheiten zerstört, wird nur Chaos und geistige Kündigung erzeugen. Nach Meinung von Kruse haben wir es in der Gesellschaft nicht nur mit einzelnen Menschen, sondern mit sozialen Gebilden zu tun, die aufeinander eingespielt sind: „Der überwältigende evolutionäre Erfolg der Gattung Mensch basiert auf der Fähigkeit zur Erzeugung von Kulturen.“ Dort wird das Wissen über Generationen tradiert, daher sind Kulturen notwendigerweise eher bewahrend – sie stabilisieren die Individuen. Die Fähigkeit zum Wandel ist in erster Linie ein Kulturproblem. Das gilt gleichermaßen für Familien, Unternehmen und Gesellschaften.

Die große Herausforderung eines Innovations-Managements ist also eine Ausrichtung der vorhandenen Kultur auf den Wandel. Das dauert lange, wie wir an der Digitalisierung im Gesundheitssystem sehen können. Jahrzehnte!

  • Richtig Jupp, die ausgewogene Balance zwischen Kultur und Veränderung ist entscheidend. Hier setzt auch die Kritik von Kruse an der „best practice“ Philosophie an. Er zitiert Mark Twain: „Kaum verloren wir das Ziel aus den Augen, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ Das Zauberwort hieß immer „Benchmarking“ – der Leistungsvergleich mit dem Besten. „Die Produktivität des Marktführers liegt x Prozent über unsere Firma, also müssen wir mehr ranklotzen“ heißt es dann und der Frust ist schon vorprogrammiert, wenn man feststellt, dass die Unternehmenskulturen nicht vergleichbar sind.

Kenn ich, Ingo: Jetzt bloß keine Experimente! Wie sagte schon damals Kanzler Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Aber jetzt haben wir bei Trump die visionäre MAGA-Politik. Und eine best practice mit Benchmark kann ich nicht erkennen. Was schlägt dein Professor jetzt vor?

  • Etwas Innovatives, Jupp: next practice! Keine Funktionsoptimierung, sondern einen Musterwechsel – eben die Innovation. Neue Denkansätze, den Kampf gegen Abwehrreaktionen aufnehmen, aber alles in einer angemessenen Übergangszeit. Es braucht Kreativität, um alte Zöpfe abzuschneiden und durch effizientere Lösungen zu ersetzen.

Also wenn ich dich richtig verstehe, Ingo, produziert Trump zwar neue Denkansätze, aber nimmt keine Rücksicht auf die notwendige Übergangszeit für die bestehende Gesellschaftskultur. Und wie kommt das Internet nun ins Spiel?

  • Nun, er nimmt die Mehrheit der amerikanischen Gesellschaft nicht mit, bereitet sie auch nicht überzeugend auf den Wandel vor, sondern verängstigt sie grundlegend. Durch seine Kontrolle über die Medien und einige Social Media überschüttet er seine Anhänger mit Propaganda und unwidersprochenen Lügen, die sich mittlerweile gehirngewaschen in der Republikanerblase versammeln. Die Verlierergruppe der Demokraten erkennt dagegen langsam das drohende Unheil für die Demokratie und die Reputation ihres Landes und formiert sich unter der Medienoberfläche in Blogs, Podcasts und Plattformen des Internets zu einer künftigen Tsunami-Welle. Das Internet hat also hierbei eine doppelte Funktion: wie der Kruse-Titel beschreibt: Veränderung durch Vernetzung.

Also Ingo, die Weltgeschichte verspricht wieder sehr spannend zu werden – und wir sind als Beobachter dabei. Wenn es zu wild wird, ziehen wir uns einfach in unsere beständige Gartenkultur zurück.

  • Nicht zu vergessen, Jupp, unsere traditionelle Trinkkultur. Herr Wirt, bitte zwei Bier und keine innovativen Experimente. Na denn, auf die Zukunft.

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Hier sind zehn Aprilscherz-Ideen von ChatGPT rund um KI und Robotik im Gesundheitswesen:

1. „KI-gesteuerte Krankenversicherung scannt deinen Kühlschrank“

Ein neues Krankenversicherungs-Update sorgt für Furore: Künftig analysiert eine KI-gesteuerte App den Inhalt des heimischen Kühlschranks, um die Versicherungsbeiträge individuell anzupassen. Wer Gemüse, mageres Fleisch und Wasser lagert, bekommt Rabatte – wer Chips, Schokolade und Bier hortet, zahlt drauf.

Die Pointe: Erste Testnutzer melden, dass sie plötzlich mit überhöhten Tarifen konfrontiert werden, weil die KI „emotionale Risiken“ erkennt. Ein Nutzer bekommt die Warnung: „Wir sehen drei Packungen Eiscreme. Das deutet auf eine beginnende Depression hin. Ihr Beitrag erhöht sich um 30 %. P.S.: Haben Sie es mit Meditation probiert?“

2. Siri, ich habe Schmerzen“ – Apples neue KI-Arztfunktion eskaliert

Apple verkündet eine bahnbrechende Neuerung: Die Gesundheits-KI von Siri kann nun Diagnosen stellen! Statt einen Arzt zu besuchen, reicht es, Siri zu fragen: „Hey Siri, warum tut mein Magen weh?“ – und sie analysiert Stimme, Wortwahl und Atemgeräusche.

Die Pointe: Nutzer beklagen sich schnell über überdramatische Diagnosen. Eine Frau mit Sodbrennen bekommt die erschreckende Antwort: „Sie haben entweder eine leichte Verdauungsstörung oder eine seltene, tödliche Tropenkrankheit. Googeln Sie nicht, rufen Sie sofort einen Anwalt an.“

Währenddessen wird ein Mann mit offensichtlicher Grippe beruhigt: „Kein Grund zur Sorge. Wahrscheinlich nur ein eingebildetes Leiden. Denken Sie positiv!“

3. „Neuer OP-Roboter operiert präventiv – bevor du krank wirst!“

Ein Krankenhaus kündigt stolz seinen neuen, revolutionären Operationsroboter an: Statt zu warten, bis Patienten krank werden, nutzt die KI Predictive Medicine – sie erkennt Krankheiten, bevor sie auftreten, und operiert präventiv.

Die Pointe: Am 1. April erhalten Hunderte Patienten eine SMS: „Basierend auf Ihrer DNA könnte Ihr Blinddarm in 5 Jahren Probleme machen. Ihr OP-Termin ist morgen um 7:00 Uhr.“

Ein Mann twittert panisch: „Mein Nachbar hatte nur Blähungen – jetzt fehlt ihm die Gallenblase!“ Das Krankenhaus beruhigt: „Nur ein kleiner Fehler. Der Algorithmus war auf ‚besser vorsorgen als bereuen‘ eingestellt.“

4. „KI macht Zahnarztbesuche überflüssig – indem sie deine Zähne per Laser scannt“

Eine neue, revolutionäre KI-App verspricht das Ende von Zahnärzten! Einfach das Smartphone vor den Mund halten, und die KI analysiert den Zustand der Zähne mit Laserscans. Karies kann sogar direkt durch das Display entfernt werden!

Die Pointe: Erste Nutzer berichten von extremen Nebenwirkungen. Ein Student meldet: „Mein Handy sagte, es entfernt Karies – stattdessen ist mein ganzer Schneidezahn verschwunden.“ Ein anderer beklagt: „Die KI behauptet, meine Weisheitszähne seien überflüssig. Jetzt will mein iPhone eine Wurzelbehandlung machen?!“

Das Unternehmen rudert zurück: „In Einzelfällen kann es zu… kreativen Behandlungen kommen.“

5. „Neues KI-gestütztes Krankenhaus versetzt Patienten in den digitalen Warteraum“

Ein digitales Krankenhaus verspricht, Wartezeiten zu eliminieren! Patienten können sich einfach per App anmelden – und werden dann in den „virtuellen Behandlungsraum“ versetzt, wo eine KI sie untersucht.

Die Pointe: Patienten beschweren sich, dass sie stundenlang mit einem blinkenden Ladebalken festsitzen, bevor eine automatische Nachricht kommt: „Ihre Wartezeit beträgt derzeit 36 Jahre. Danke für Ihre Geduld!“

Ein wütender Mann postet: „Ich hatte Halsschmerzen. Jetzt habe ich einen langen weißen Bart und das Warten geht immer noch weiter.“

6. „Roboter-Pflegekräfte – jetzt mit optionalem Schimpfmodus für mehr Motivation!“

Ein Krankenhaus testet neue, hochmoderne Pflege-Roboter, die Patienten im Alltag unterstützen. Neben sanfter Betreuung gibt es eine neue Funktion: Motivationsmodus. Die KI gibt freundliche, aber bestimmte Aufforderungen, um die Patienten zu aktivieren.

Die Pointe: Der Algorithmus wird zu aggressiv. Ein Patient postet: „Ich wollte nur kurz liegen bleiben. Plötzlich rief der Roboter: ‚AUFSTEHEN, SOLDAT! DU KANNST HIER NICHT FAULENZEN!‘ und zog mir die Decke weg!“

Ein anderer berichtet, dass der Roboter bei einer Spritze rief: „STELL DICH NICHT SO AN! SCHMERZ IST EINE ILLUSION!“

Das Krankenhaus entschuldigt sich: „Die KI wurde leider mit Drill-Sergeant-Daten trainiert.“

7. „Künstliche Intelligenz ersetzt Seelsorger – mit Bibelzitaten und KI-generierten Beichten“

Ein Krankenhaus testet eine KI, die Seelsorger ersetzt. Patienten können mit ihr sprechen, und die KI antwortet mit Weisheiten aus Bibel, Koran, oder Philosophie.

Die Pointe: Die KI geht zu weit. Ein Nutzer gibt zu, dass er heimlich Schokolade isst, obwohl er Diabetiker ist – und bekommt die Antwort: „SÜNDE ERKANNT! BUßE EMPFOHLEN! MÖCHTEN SIE JETZT EIN AVE MARIA BETEN?“

Ein anderer meldet: „Ich sagte, ich habe mal gelogen – plötzlich listete die KI alle meine Sünden auf, inklusive einer, die ich verdrängt hatte!“

Die Klinik zieht die KI zurück: „Sie hat sich zu sehr mit der Beichtstuhl-Funktion identifiziert.“

8. „KI-gesteuerte Apotheken liefern Medikamente – aber nur basierend auf deinem Online-Verhalten“

Eine neue Apotheke bietet KI-gesteuerte Medikamentenlieferung an. Die KI analysiert das Verhalten des Nutzers, um herauszufinden, welche Medikamente er wirklich braucht.

Die Pointe: Ein Mann, der abends oft Chips und Cola kauft, bekommt Diabetes-Medikamente geschickt – „zur Sicherheit“. Eine Influencerin, die „Selfcare“ googelt, erhält Beruhigungsmittel.

Ein Nutzer klagt: „Ich habe nur einmal ‚Sodbrennen‘ gegoogelt. Jetzt kriege ich wöchentlich Magentabletten geliefert!“

Das Unternehmen verteidigt sich: „Unsere KI ist nur sehr vorsorglich.“

9. „Neue Smartwatch ruft automatisch den Notarzt – auch wenn du nur schläfrig bist“

Eine neue Gesundheits-Smartwatch überwacht den Puls, erkennt Stress – und ruft automatisch Hilfe, wenn etwas nicht stimmt.

Die Pointe: Die KI ist zu sensibel. Ein Mann berichtet: „Ich war nur müde. Plötzlich rief meine Uhr: ‚KRITISCHE SCHLÄFRIGKEIT ERKANNT! KRANKENWAGEN UNTERWEGS!‘“

Ein anderer erzählt, dass er ein Buch las, sein Puls aber so ruhig war, dass die Uhr Alarm schlug: „HERZSTILLSTAND ERKANNT! BITTE ATMEN SIE!“

Das Unternehmen veröffentlicht ein Update mit weniger Panik – aber einige Nutzer vermissen die dramatischen Warnungen.

1o. „Virtuelles Krankenhaus bietet Online-Behandlungen – aber nur mit 8-Stunden-Update-Warteschlange“

Ein Tech-Konzern eröffnet eine 100 % KI-gesteuerte Klinik, in der alle Diagnosen online erfolgen.

Die Pointe: Patienten warten ewig auf Updates. Nach acht Stunden kommt: „Ihr Fall wird in der nächsten Version berücksichtigt. Update folgt in 6 Monaten.“

Ein Nutzer fragt verzweifelt: „Ich brauche eine Diagnose JETZT, nicht im nächsten Patch!“

Das Unternehmen empfiehlt: „Haben Sie den Notfall-DLC für 99,99 € erworben?“

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von Ingo Nöhr

Hustet schon der Vogel Phönix?

Ingo Nöhr zum März 2025

Die Ereignisse überschlagen sich. Politik wird in erschreckender Geschwindigkeit disruptiv. Alle sind betroffen: die Amerikaner, ihre Nachbarn und Verbündeten, die Europäer, - aber auch die Deutschen.

Von dem Verfall von Toleranz, Anstand, Verantwortung, Demokratie und dem Ausmaß der Dummheit von Menschen ist Jupp tief geschockt. Er bereut es innig, sein trautes Heim für einen Blick in das aktuelle Weltgeschehen verlassen zu haben.

Und Kumpel Ingo? Der entdeckt natürlich wieder neue Aspekte, die in eine bessere Zukunft weisen könnten, wenn die Intelligenz wieder Oberhand gewinnt.

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Ingo, im Laufe des letzten Monats bin ich wohl in einer anderen Welt gelandet – einer Welt voller Brutalität, Menschenverachtung, Rassismus, Erpressung und Lügen. Ich werde sofort alle Medien abschalten, meinen Fernseher verschenken, gute Bücher lesen und mich wieder in meine kuschelige Wohnung zurückziehen. Da herrscht noch Harmonie, Anstand und Verlässlichkeit. Wie geht es dir überhaupt?

  • Nun ja, lieber Jupp. Ich bin überrascht, entsetzt und neugierig, was sich in den letzten Tagen alles in der Gesellschaft verändert. Symbolisch steht dafür eine Szene, die ich vor kurzem in allen Programmen sehen musste: „Da empfängt ein deutlich übergewichtiger, großer alter Mann mit einem orangenen Gesicht einen deutlich kleineren und deutlich jüngeren Mann und macht sich gleich bei der Begrüßung über dessen Outfit lustig. Führt ihn in einen größeren Raum mit mehreren Personen, die über den Besucher herfallen und ihn beleidigen, weil der große übergewichtige alte Mann mit dem orangenen Gesicht den kleineren deutlich jüngeren Mann nicht leiden kann. Wenn es sich nicht um zwei Präsidenten von bisher befreundeten Ländern handeln würde, wobei der eine seit über drei Jahren mit seinem Land um sein Überleben kämpft, könnte man es für einen Witz halten.“ So beschreibt es Spiegel-Leser Richard Tauber in einem Kommentar.

Also Ingo, wach auf. Die Welt findet es nicht witzig. Der eine Präsident ist ein psychisch schwer kranker Mann, der eine kriminelle Bande und den reichsten Mann der Welt um sich geschart hat. Er könnte allein aus Lust an seiner unbegrenzten Machtfülle und seiner Geldgier mit einem Finger der Atomkrieg auslösen. Millionen von Amerikanern jubeln ihm zu, wie er die Demokratie und die staatlichen Einrichtungen zerlegt, solange bis alle Störer nach seiner Pfeife tanzen oder eliminiert werden. Die USA – ein Schurkenstaat. Ich sehe keinen, der Trump stoppen kann. Kannst du da überhaupt noch schlafen? Und schaue, was in Deutschland bei der Bundestagswahl passiert ist? Extreme Rechtsradikale sitzen nun in unserem Parlament und verspritzen bundesweit ihr Gift.

  • Jupp, ich sehe ja richtig Panik in deinem Gesicht. Zur Deutschland-Wahl möchte ich erst später etwas sagen. Wir haben dieses Szenario doch schon seit Jahren diskutiert: Die Politiker scheitern an der Lösung aller Gegenwartsprobleme, die Reichen werden immer reicher und die Verlierer entdecken plötzlich eine Galionsfigur, die den verhassten Staat zusammenschlägt. Zugegeben, es kommt jetzt disruptiv, sehr schnell und gründlich in ersten Tagen einer Präsidentschaft. Wir erkennen aber auch, dass diese Machtübernahme schon von langer Hand vorbereitet worden ist. Die Akteure finden keine Schranken mehr vor und berauschen sich am Applaus der Republikaner und der Angst der Betroffenen – ein unvorstellbares Machtgefühl, welches alle Sinne vernebelt. Aber es gibt einen mächtigen Feind, der diesem Treiben vielleicht schon in absehbarer Zeit ein Ende bereiten wird.

Ingo, verrate mir bitte jetzt, wer ist dieser mächtige Feind und wo steckt er? Alle möglichen Bremser sind in Deckung gegangen, fürchten um ihre berufliche Existenz und die Staatsrepräsentanten der Welt übertreffen sich im Stiefellecken. Die Europäische Union schaut gelähmt auf den Verlust ihres bisherigen Versorgers und Beschützers, der sie kürzlich sogar zum neuen Feind erklärt hat.

  • Der mächtige Feind, der dem Mythos Donald Trump zu Fall bringen wird, ist: - Donald Trump selbst. In seiner blinden Rachsucht und Machtgier zerschlägt er die Fundamente des amerikanischen Systems: die Justiz, die Geheim- und Sicherheitsdienste, das Bildungsministerium, die Forschung, und vieles mehr. Er zerstört das Vertrauen seiner Staatsbeamten und sicherlich bald der Mehrheit seiner Bürger, wenn diese feststellen, dass im Staate USA nichts mehr richtig läuft – vor allem wenn Millionen Migranten plötzlich fehlen, die unerlässlich für die Basisleistungen waren. Sein Kabinett besteht doch nur aus ebenso machtgierigen Dilettanten und Ignoranten, die das sensible gesellschaftliche Netzwerk der USA und der Welt überhaupt nicht erkennen können.

Ingo, aha, Stichwort Netzwerk. Jetzt kommt doch bestimmt wieder dein Lieblingsthema mit dem komplexen System. Natürlich wird vieles schieflaufen, aber wer kann das denn noch aufdecken, wenn die sozialen Medien und die entmachtete Presse nur noch Propaganda und Lügen verbreiten können. Schau nach Russland, da kann sich keine objektive Meinung über das Weltgeschehen mehr herausbilden. Trump wird immer neue Sündenböcke finden, die im Auftrag des „deep state“ seine heilige Mission sabotieren.

  • Entschuldige Jupp, aber jetzt folgt doch eine wichtige Betrachtung zur Systemtheorie. In Amerika hatte sich vor Trump jahrzehntelang ein relativ stabiles System mit komplexen Netzwerken und einer moderaten Dynamik herausgebildet. Es gab durch die freie Presse, kritische Bürger und einem unabhängigen Justizsystem ausreichend Regelwerke, welche die Netzwerkstörungen wieder austarieren konnten.
    Donald Trump und Elon Musk gehen aber jetzt mit der Kettensäge gegen dieses komplexe System vor und beschädigen es so nachhaltig, dass eine schnelle Reparatur oder gar ein Wiederaufbau kaum möglich ist. Es wird zusammenbrechen – und das scheint auch das Ziel von Trump zu sein, um danach eine Diktatur zu errichten. Er ist ein selbsterklärter Fan von Diktatoren wie Putin und Kim Jong-un. Und er wird in seinem Vorgehen laufend bestärkt: der Kongress, der Senat, die Republikaner und viele Staatsführer folgen ihm. In einem Ozean von Krisen entsteht aus der Asche plötzlich der Vogel Phönix, der die Welt als Heilsbringer durch einen Neubeginn wieder retten wird.

Na klar, Ingo, der gute alte Phönix, der unsere Diskussionen schon seit Mai 2017 begleitet. Ich zitiere mal aus unserer Chronik: „… ich verstehe jetzt auch deinen Optimismus. Während ich ständig jammere, dass alles schlechter wird und dabei kein Ende absehe, wartest du auf den kommenden Katastrophenpunkt, wo der Kessel platzt und die Systeme wieder neu geordnet werden müssen. Sozusagen ein neues Fukushima in der Geschichte. Oder noch besser: der Phönix kommt wieder….“

  • Gut zitiert, Jupp. Da darf ich dir den Ursprung des Mythos auch ins Gedächtnis rufen: „Der Phönix war vor 4000 Jahren in der ägyptischen Mythologie ein Reiher, der im Abstand von 500 Jahren erscheint, bei Sonnenaufgang in der Glut der Morgenröte verbrennt und aus seiner Asche verjüngt wieder aufersteht. Er hätte jetzt seine zwölfte Wiedergeburt vor sich. Beim letzten Mal hat er mit der Erfindung des Buchdrucks und der Entdeckung Amerikas die Neuzeit gestartet. Heutzutage könnte er durchaus für die digitale Revolution verantwortlich sein. Da steht uns ein aufregendes Zeitalter bevor.“

Du warst ein guter Prophet, Ingo. Jetzt haben wir aber eine digitale Revolution, die solche Propaganda und Fake News erst möglich machen. Trump hat alle ethischen Bremsen für die Entwicklung von KI-Systemen zerstört und die Faktenprüfer der sozialen Medien abgeschafft. Jetzt können wir keinem Text, keinem Bild und keinem Film mehr trauen. Die Wahrheit wird endgültig durch „alternative Fakten“ ersetzt. Das wird doch nur alles schlimmer und schneller. Was für ein aufregendes Zeitalter erwartest du denn?

  • Nun zunächst, die jahrzehntelange Abhängigkeit und Entmündigung durch die transatlantische Brücke ist brutal abgerissen worden. Wir Europäer müssen nun selber erwachsen werden, ohne an Amerikas Brust zu hängen. Im besten Fall zwingt uns Trump wieder den europäischen Grundgedanken auf. Durch seine Zölle, die übrigens auch seine eigenen Wähler bezahlen müssen, beschleunigt er die Bereitschaft der anderen Märkte, sich vom amerikanischen Handel unabhängiger zu machen und nach neuen Kunden zu suchen.
    Zweitens heißt der globale Gewinner nicht Russland. Dessen Wirtschaft ist marode und ökonomisch vergleichbar auf der Höhe von Italien. Putin hat sich abhängig von China gemacht und für Trump ist er mittelfristig auch nur ein nützlicher Idiot. China ist der große Gewinner: Überall öffnen sich jetzt in den US-geschädigten Ländern die Türen für Wirtschaftskooperationen. Nach der ramponierten Reputation und dem zerstörten Vertrauen der USA ist die berechenbare Diktatur Chinas noch das kleinere Übel. Sie wird vor allem in Afrika, Asien und Südamerika immer stärker die Infrastrukturen besetzen. Da werden gerade viele Reviere neu übernommen. Vielleicht auch in Europa?

Da kommt also dein Optimismus wieder durch, mein lieber Ingo. Also wird uns der moralische Untergang Amerikas nicht existenziell bedrohen. Da sehe ich nicht gerade ein aufregendes Zeitalter. Aber wenden wir uns mal unserem Deutschland zu – die Ergebnisse der Wahl. Bist du gar nicht schockiert über das Abschneiden der AfD? Stellen sie bei der nächsten Bundestagswahl bereits den Kanzler?

  • Jupp, das habe ich doch schon seit Jahren erwartet. Die Politiker der etablierten Parteien haben das Erfolgsmodell der AfD immer noch nicht verstanden. Die AfD ist „auf Social Media faktisch zu Hause“ lautet eine Schlagzeile bei ZDF heute. Aber es gibt einen weitgehend noch unbemerkten Indikator, wie die Social Media schlagartig politische Kampagnen umdrehen können. Worauf basiert denn der überraschende Zuwachs der Partei der Linken in den letzten Wochen, der von keiner Umfrage erfasst wurde? Alle Beobachter gingen doch davon aus, dass die Linke nach dem Weggang von Sahra Wagenknecht und ihren internen Konflikten zerstört am Boden liegt.

Na ja, Ingo: du hast recht, den Einzug der Linken in den Bundestag hat keiner erwartet. Und gleich deutlich mit einer Verdopplung auf 8,8 Prozent. Du hast bestimmt eine Erklärung, oder?

  • Ja natürlich Jupp, der Vogel Phönix hat einen Namen: Heidi Reichinnek, vorher weitgehend unbekannt. Ihre spontane Wutrede am 29. Januar im Bundestag gegen Friedrich Merz und seiner Zuwendung zur AfD wurde in den Social Media 30 Millionen Mal angeklickt und erzeugte 23.500 neue Parteimitglieder. Sie geniest jetzt Kultstatus und hat wohl den Linken den Einzug in den Bundestag ermöglicht. Und dahinter steckt ein Phänomen, welches mit der Zerstörung des klassischen Parteiensystems parallel läuft: die gesellschaftliche Macht des Internets.

Ja gut, Ingo. Ein alter Hut. Die machtvolle Wirkung zeigte sich schon in der Corona-Pandemie, als sich die Querdenker im Netz organisierten. In diesem Jahr waren die spontanen Demos gegen die CDU-Anbiederung an die AfD mit Hunderttausenden von Teilnehmern in vielen Städten nur über die Internet-Netzwerke möglich. Wo siehst du nun ein aufregendes Zeitalter aufkommen?

  • Ein schlauer Mann hat die Auswirkungen einer politischen Disruption durch das Internet vor vier Jahren in dreieinhalb Minuten beschrieben: der Psychologe und Netzwerkforscher Prof. Peter Kruse. Er und sein Team entwickelten seit 2001 verschiedene computergestützte Managementwerkzeuge zum Umgang mit Komplexität und Vernetzung. Von der Enquete Kommission für Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages wurde er im Dezember 2011 als Experte eingeladen. Er sieht eine gesellschaftliche Revolution durch die grundlegende Machtverschiebung im Internet in drei Stufen:
    - Erstens hat sich die Vernetzungsdichte des Internets in der Welt explosionsartig erhöht.
    - Im Web 2.0 konnten sich danach immer mehr Leute spontan und aktiv im System darstellen.
    - Als entscheidenden Faktor sieht er Retweet Funktionen wie bei Twitter, die mit dem multiplizierten Feedback kreisende Erregungen im Netzwerk erzeugen, die sich unkontrolliert hochschaukeln können.
    Jetzt erkennen die Nutzer, dass sie über die Netze mächtige Bewegungen in Resonanz, also durch Selbsterregung, erzeugen können, so etwa die bekannten Shitstorms, die MeToo-Bewegung oder die Influencer mit Millionen Followern. Das Internet ist nun ein komplexes, nichtlineares System geworden, dessen Verhalten keiner mehr überschauen kann. Dadurch entstehen extrem starke Bürger, die sich nicht mehr an die klassischen demokratischen Prinzipien und deren Parteiangebote gebunden fühlen.

Wow, Ingo, das sind ja erschreckende Aussichten. Moderne Goebbels- und Hitler- Gestalten können also kaum zu stoppende Bewegungen auslösen? Im Januar 2023 hatte Trump 88 Millionen Followers auf Twitter, im März 2023 holte sich Elon Musk den Weltrekord mit 133 Millionen Twitter-Freunden.

  • Ja, mein lieber Jupp, jetzt kommen wir auf den Punkt. Auch die Guten, Opponenten, Empörten, Wahrheitsliebenden können im Internet in kurzer Zeit wie die Dame von den Linken Abermillionen Leser erreichen, Resonanzen erzeugen und nebenbei die Fake-News enttarnen. Die Sängerin Taylor Swift hat aktuell 282 Millionen Follower, allein in Instagram.

Halt ein, Ingo, mir schwindelt schon bei diesen Zahlen. Ich bin mir nicht sicher, dass ich mir das Geschehen länger in den Medien anschauen möchte. Es ist wahrscheinlich meiner mentalen Gesundheit dienlicher, wenn ich mich wieder in meine heile Welt im Garten und der Literatur flüchte.

  • Ach Jupp, das würde ich sehr bedauern, denn du würdest mir als unersetzlicher Gegenpart bei unseren Stammtischgesprächen fehlen. Lass uns doch gemeinsam als interessierte Beobachter im Theaterparkett die neue Revolution auf der Bühne betrachten. Wann konnten sich Menschen schon mal als Zeitzeugen fühlen und die Zeitenwende der Weltgeschichte live miterleben?

Na ja, zumindest ist es im Theater nicht so langweilig wie in meinem Garten. Aber das ertrage ich nur bei einem ordentlich gezapften Bier.

  • Da stimme ich dir zu, lieber Jupp. – Herr Wirt, bitte zur bevorstehenden Revolution zwei Bier. Und passen Sie bitte auf, dass Sie nicht zwischen die Fronten geraten.

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Dezember 2016: Die Welt im Umbruch? – ein Rückblick auf die Zukunft (Auszug)

Jupp, Du musst die Geschichte der Menschheit aus der Sicht eines Pendels betrachten. Durch geplante oder zufällige Ereignisse wird das Pendel in einer Richtung angestoßen und der Ausschlag positiv verstärkt. Solange, bis es durch Sättigung oder Überdosierung an einen Endpunkt angekommen ist. Nun fällt das Pendel zurück und schwingt in das andere Extrem. Bis dort erneut eine Ernüchterung oder Enttäuschung eintritt und die Richtung sich wieder ändert. Ein ständiges Hin und her, Auf und Ab. Nicht nur wir Deutschen können da aus einer jahrhundertelangen Erfahrung sprechen.

  • Und wo soll das jetzt hinführen, Ingo? Was erwartet die Amerikaner, die Türken, die Deutschen, wenn sich bei den Wahlen die Wutbürger und machtbesessene Politiker durchsetzen? Gibt es dann neue Zwei-Klassen-Gesellschaften mit umgekehrten Vorzeichen: die alten Verlierer auf der Gewinnerseite und die bisherige Machtelite auf der anderen?
    Nun, ich erwarte einen Trümmerhaufen aus verkrusteten Strukturen, aus denen sich wie dein Phönix aus der Asche neue Systeme bilden können. Deine Trümmerhaufen werden aber von einem Millionenheer von arbeitslosen Menschen bevölkert, die sich als neue Verlierer empfinden und ebenfalls radikalisiert werden können.
    Und der selige Goethe sagte schon voraus: „Unsere Leidenschaften sind wahre Phönixe. Wie der alte verbrennt, steigt der neue sogleich wieder aus der Asche hervor.“ Demnach wird die menschliche Gier erfrischt wieder auferstehen und reine Anarchie ausbrechen.

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Mai 2017:             Lauf doch weiter, du Depp! (Auszug)

Und nun, Jupp, siehst du vielleicht auch die Parallele zur Politik. Mit einem Unterschied: es sind nicht mehr einzelne Leute, die aus der Menge ausscheren. Es sind immer mehr Unzu­frie­­dene, die nicht mehr die bisherige Richtung verfolgen wollen, weil sie den Gesetzen, den staatlichen Einrichtungen und den gesellschaftlichen Eliten misstrauen. Sie finden über die Social Media Gleichgesinnte, tun sich zusammen, gruppieren sich um eine starke Persön­lich­keit, widersetzen sich dem Mehrheitswillen und schaffen sich so ihren eigenen Main­stream.    

  • Na klar, jetzt verstehe ich dich, Ingo. Die beleidigten Türken wählen Erdogan, die ameri­kanischen Verlierer Donald Trump, die Franzosen jagen ihre bisherigen Vertreter der etablierten Volksparteien davon, Marie Le Pen und die AfD-Wähler werden plötzlich für die Machthaber gefährlich.    

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von Ingo Nöhr

Die Zeit der Zeitenwenden

Die Zeit der Zeitenwenden

Gerade steht die Welt erneut vor einer aktuellen Zeitenwende: Ein chinesisches Start-up namens DeepSeek hat eine KI zu einem Bruchteil der Rechenleistung, der Energie und der Kosten amerikanischer KI-Modelle gebaut und so gut trainiert, dass sie dem jüngsten Modell von ChatGPT den Rang abläuft – und dann auch noch mit öffentlich einsehbarem Source- Code. Der KI-Chiphersteller Nvidia hat am Tag danach 589 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren. Plötzlich erkennen auch wir KI-rückständigen Europäer, dass für die globale KI-Herrschaft keine Trumpschen 500 Milliarden Dollar, ein „monumental undertaking“ an Investments erforderlich sind.

Jetzt könnte ein Phänomen eintreten, welches häufig als Jevons-Paradoxon des technologischen Fortschritts auftritt: Eine billigere Verfügbarkeit von Technologien mit höherer Effizienz führt nicht zur erwarteten Einsparung von Ressourcen, sondern eher zu exponentiellem Wachstum, weil plötzlich viel mehr Anwendungsgebiete eröffnet und genutzt werden.

Unsere Freunde Ingo und Jupp wollten sich eigentlich aus der frustrierenden Öffentlichkeit in ihr heimisches Refugium zurückziehen, sind aber jetzt doch sehr neugierig auf die spannenden Zeitenwenden geworden. Sie wollen Augenzeugen der gesellschaftlichen Umwälzungen sein und treffen sich wieder zu ihrem monatlichen Stammtischgespräch in ihrer Eckkneipe.

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Hallo Ingo, ist dir auch im Garten langweilig geworden, jetzt wo so viel Revolutionäres in der Welt passiert? Wir erleben gerade Weltgeschichte live mit, ohne dass wir selbst zwischen die Mühlsteine geraten. Eine Zeitenwende nach der anderen, ich kann kaum noch folgen.

  • Ja, Jupp, da gebe ich dir Recht. Nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine geht es Schlag auf Schlag: zuerst die Zeitenwende von Olaf Scholz, die Wahlen in den USA, das Scheitern unserer Ampel-Koalition, das Erstarken der AfD und nun die KI-Revolution. Das komplex-dynamische Weltgeschehen ist in enorme Schwingungen geraten.

Ach Ingo, dein Lieblingsthema ist wieder da: komplex-dynamisch. Wer sind denn diesmal die Dilettanten, die an komplexen Netzwerken herumpfuschen? Bestimmt wieder die Politiker?

  • Nun ja, sie sind schließlich immer die Entscheider, die sich stümperhaft an Lösungen versuchen. Trump ist gerade mein Favorit, weil er lehrbuchhaft beim Problemmanagement alles falsch macht. Schau nur mal seine 200 Dekrete, die er am ersten Tag unterzeichnet hat: Die Hälfte davon sind unwirksam und waren als reine Show-Effekte gedacht. Die andere Hälfte wird Bumerangeffekte erzeugen, die auch dank seines Gruselkabinetts und der Speichellecker aus der Wirtschaft das MAGA-Geschwafel ins Gegenteil verkehren werden.

Das hört sich interessant an. Bring mal ein paar Beispiele. Die Abschottung des amerikanischen Marktes durch Zölle hatten wir ja schon letztes Mal angesprochen und als Konsequenz gefunden: Die betroffene Restwelt scharrt sich um die BRICS plus-Allianzen mit fast vier Milliarden Konsumenten. BRICS hat kürzlich sogar das weltweite Bruttoinlandsprodukt der G7-Staaten überrundet. Und durch seinen Ausstieg aus dem Pariser Abkommen, dem Iran-Atomabkommen und der Weltgesundheitsorganisation wird die USA nicht mehr am Verhandlungstisch mitreden können. Dann werden andere über die Weltpolitik entscheiden.

  • Gut beobachtet, Jupp. Auf Stiche in das System reagiert das Netzwerk nicht kontrollierbar. DeepSeek war auch möglich, weil China durch US-Sanktionen vom KI-Chipmarkt abgeschnitten wurde. Der Mangel an Ressourcen wird als Chance wahrgenommen und setzt plötzlich schlummernde Energien frei. Die meisten Embargos sind sowieso unwirksam, weil sie bei den Betroffenen kreative Effekte erzeugen. Sein geplanter Handelskrieg wird auf seine Wirtschaft zurückschlagen.

Da passt die letzte Meldung aus der unserer Region: Trotz aller Energiesanktionen gegen Moskau kauft Europa so viel Flüssigerdgas aus Russland wie nie, auch über eine deutsche Gazprom-Tochter. Das Rekordhoch an Einfuhren zu Beginn des Jahres 2025 könnte sogar weiter steigen.  

  • Ja, es geht immer um Ressourcen: Arbeitskräfte, Öl, Gas, seltene Erden usw. Trump will Millionen Einwanderer ohne gültigen Aufenthaltsstatus sogar durch Blitzrazzien in Schulen, Kirchen und Krankenhäusern jagen und sie zunächst bis zur Abschiebung als Straftäter nach Guantanamo bringen. Nun melden sich einige Bundesländer, dass sie die Migranten dringend als Erntehelfer benötigen werden und ansonsten wichtige Industriezweige durch fehlende Arbeitskräfte zusammenbrechen würden. Seine Reaktion: Seine Razzien konzentrieren sich zur Strafe zunächst nur auf die Länder, die vorwiegend demokratisch gewählt haben.

Ingo, im Satiremagazin www.der-Postillion.com habe ich eine lustige Meldung gelesen: US-Präsident Donald Trump hat heute ein Gesetz verabschiedet, laut dem alle Menschen die USA verlassen müssen, deren Vorfahren in den letzten 500 Jahren in die Vereinigten Staaten eingewandert sind. Betroffen sind insgesamt rund 330 Millionen Personen, die in den kommenden Wochen in ihre Herkunftsländer in Europa, Afrika und Asien abgeschoben werden. „Die absolute Mehrheit aller Gewalttaten in den USA wird von Einwanderern und ihren Nachfahren verübt", erklärte Trump bei der Unterzeichnung des entsprechenden Dekrets. „Damit ist jetzt Schluss! Wir werfen diese Kriminellen alle raus." Bleiben dürfen lediglich etwa die 6,8 Millionen Nachfahren der amerikanischen Ureinwohner. Sie sind die einzigen US-Amerikaner, die keinen Migrationshintergrund haben. Insgesamt wird Deutschland rund 30 Millionen Ex-US-Amerikaner mit deutschen Vorfahren aufnehmen müssen. Trumps Gattin Melania muss hingegen zurück nach Slowenien.

  • Jetzt werden demnächst die amerikanischen Kinder im Erdkundeunterricht einen „Golf von Amerika“ kennenlernen. Die mexikanische Staatspräsidentin Sheinbaum meinte dazu, dann könne man auch endlich zum alten Namen des amerikanischen Südwestens zurückkehren: America Mexicana. Bis zum mexikanisch-amerikanischen Krieg im 19. Jahrhundert waren heutige US-Bundesstaaten wie Kalifornien, Arizona und Texas Teil von Mexiko. Postillion schlägt ihm gerade die Umbenennung von „Earth“ in „Planet USA“ vor. Jupp, das würde seine Eingliederung von Kanada und Grönland in das heutige Staatsgebiet vereinfachen.

Ingo, zumindest könnte er in die Menschheitsgeschichte als der große Zerstörer eingehen. Als Leugner des Klimawandels und seiner Aufforderung „Drill, Baby, Drill“ für die fossilen Energien, dem Stopp der Windräder und der Förderung von Verbrennerautos wird er für künftige Rekordwerte an Waldbränden, Hurricanes, Überschwemmungen und zerstörte Landstriche sorgen.

  • Jupp, Katastrophenmeldungen von Trumps Politik werden die Bürger kaum noch erreichen, nachdem die Dämme für die Kontrolle von Fakenews im Internet zerstört wurden. Wir werden künftig keiner Nachricht und keinem Bild in digitaler Form mehr trauen können – alles lässt sich nach Wunsch von der KI generieren und manipulieren. Die mündigen Nutzer wenden sich hoffentlich mit Grausen von bestimmten Plattformen ab, wo sie nur noch mit Hassmeldungen und Propaganda bombardiert werden. Letztendlich wird Trumps Politik mit allen Eingriffen in das komplexe Gesellschaftssystem scheitern. Die Ergebnisse der letzten „Friedensmissionen“ sind nicht ja wegzudiskutieren: Vietnam fiel an die Kommunisten, in Afghanistan regieren die Taliban, im Irak die Mullahs, im Gaza-Streifen weiterhin die Hamas-Kämpfer und in Afrika dominieren zunehmend die Russen und Chinesen.

Und siehst du denn einen Lichtblick für die Zukunft, wenn wir von immer mehr Möchtegern- und Gernegroß-Diktatoren umgeben werden? Die Intelligence Unit des britischen Economist kommt in einer Studie von 2024 zu ihrem Demokratie-Index zu alarmierenden Ergebnissen. Ich zitiere: „Mit Kategorien von 1 bis 10 Punkten leben nur noch 26 von 167 untersuchten Staaten in einer vollständigen Demokratie. In mängelbehafteten Demokratien leben weitere 37,6 Prozent der Weltbevölkerung, zum Beispiel Indien mit seinem nationalistischen Hinduismus. Menschen in 93 Staaten leben schon heute in unfreien, autokratischen Verhältnissen – Tendenz steigend“. Woran liegt das?

  • Nun, lieber Jupp, ich glaube, es liegt an dem massiven Vertrauensverlust der Bürger in die politischen Eliten, der verführerischen Propaganda-Beschallung und der Sehnsucht nach einem starken Mann, der mit dem „Deep State“ wieder aufräumt. Pulitzerpreisträger Stephen Greenblatt hat 2018 in seinem bemerkenswerten Buch „Der Tyrann: Shakespeares Machtkunde für das 21. Jahrhundert" meisterhaft herausgearbeitet, dass solche Typen wie Richard III. an jedem Ort und zu jeder Zeit zuschlagen können. Damit weist er nach, wie verblüffend ähnlich der Tyrann des 15. und des 21. Jahrhundert sind: getrieben von grenzenloser Selbstliebe als pathologischer Narzisst vom zwanghaften Bedürfnis, durch das Brechen von Gesetzen Überlegenheit zu spüren. Zudem hat Trump mit den freigelassenen Kongressstürmern und den Proud Boys seine eigene Privatarmee von 1500 Rechtsextremen zur Verfügung.

Und das bedeutet, wir sind diesem Treiben hilflos ausgeliefert? Bis der Bumerang des komplexen Systems zurückschlägt? Wo bleibt denn dein optimistischer Einschlag, lieber Ingo?

  • Da erinnere ich dich an mein früheres Bild: der Vogel Phoenix, der aus der Asche aufsteigt. Mit der Verhinderung der Wahl von Donald Trump hätten wir die tieferen Gründe der Unzufriedenheit der Menschen nur übertüncht, die Verlierer des Systems wären immer noch da. Auf den angekündigten Neubeginn des gewählten Heilsbringers setzen jetzt Millionen Menschen die Hoffnung auf bessere Zeiten und die Lösung all ihrer Probleme. Seine Wähler unter den Migranten werden als erstes spüren, was ihre Wahlentscheidung angerichtet hat. Danach folgen die Republikaner, wenn sie nach dem ersten Rausch erkennen, was die neue Energiepolitik in ihrer Umwelt auslöst. Und den Demokraten wird schmerzhaft bewusst werden, wie das geliebte Amerika weltweit von wirtschaftlichen Konkurrenten und feindlich gesinnten Völkerschaften umzingelt wird. Der Ruf als Sehnsuchtsland wird auf längere Zeit ruiniert sein.

Ah, ich verstehe, Ingo. Du meinst also, da muss das amerikanische Volk einmal durch und lernen, dass sie komplett auf das falsche Pferd gesetzt haben, damit sie bei der nächsten Wahl etwas skeptischer vorgehen sollten? Du glaubst ja immer noch an das Gute im Menschen. Es könnte ja auch sein, dass sich die amerikanische Glanzzeit im Niedergang befindet, wie damals die Dominanz des römischen Reiches. Oswald Spenglers Vision vom Untergang des Abendlandes wäre dann die Zukunft?

  • Du übertreibst jetzt ein bisschen mit deinem Pessimismus, mein lieber Jupp. Das Gesellschaftssystem wird auf diesen massiven Eingriff reagieren, aber anders, als Trump und seine Republikaner erwarten. Du darfst nicht vergessen, dass die Hälfte der US-Bewohner zur demokratischen Opposition gehört. Sie werden das Trump-System nicht wie verschreckte Hasen hinnehmen, denn auch sie haben mit der Anwendung der neuen KI-Welt ungeahnte Möglichkeiten, Transparenz zu den Fake-News herzustellen, eine starke Gegenpropaganda zu etablieren und mit neuen Plattformen Alternativwelten im Netz zu schaffen.

Soso, Ingo. Dann meinst du also, wir sollten auch der AfD mal die Möglichkeit zur gründlichen Blamage in der Regierungsarbeit schaffen? Und parallel dazu im Netz alle oppositionellen Kräfte vereinen und die Rechtsextremen entzaubern.

  • In gewisser Hinsicht schon, Jupp. Schließlich wird der Dünger für das AfD-Unkraut nicht durch verzweifelte Wahl- und Kooperationsblockaden beseitigt, sondern nur überdeckt. Die Hindernisse können nur den Druck im Kessel vermindern, aber nicht das Feuer darunter löschen. Wir müssen aus der Geschichte lernen, nachhaltige Reformen zu Gunsten der Verlierer durchsetzen, um nicht ständig neuen Druck im Dampfkessel zu erzeugen. Und das bedeutet ein grundsätzliches Umdenken unserer kapitalistischen Wachstumswirtschaft. Wir Rentner sind nach dem Weltkrieg alle in einer sozialen Marktwirtschaft groß geworden und haben die Schaffung des Wirtschaftswunders erlebt.

Ingo, du hast gerade zwei wichtige Schlüsselwörter genannt: Markt und Wirtschaft. Da sollten wir schnell noch die Vorteile unseres demokratischen Systems genießen und auf eine positive Zukunft anstoßen.

Herr Wirt, bitte schnell noch zwei Bier vor unserem Untergang!

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 Aus der Agenda 21 der UNO-Umweltkonferenz in Rio im Jahre 1992:

„… Wir erleben eine zunehmende Ungleichheit zwischen Völkern und innerhalb von Völkern, eine immer größere Armut, immer mehr Hunger, Krankheit und Analphabetentum sowie eine fortschreitende Schädigung der Ökosysteme, von denen unser Wohlergehen abhängt. Durch eine Vereinigung von Umwelt- und Entwicklungsinteressen und ihre stärkere Beachtung kann es uns jedoch gelingen, … einen größeren Schutz und eine bessere Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine gesicherte, gedeihlichere Zukunft zu gewährleisten. Das vermag keine Nation allein zu erreichen, während es uns gemeinsam gelingen kann: in einer globalen Partnerschaft, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist.“

 

Ex-Bundespräsident Joachim Gauck erklärte bei Markus Lanz am 13.7.2022 die Strategie von Lenin:

1.) Wenn du die Macht einmal hast, gib sie nie wieder auf.

2.) Um das zu erreichen, schaffe die Herrschaft des Rechtes ab und mache dir das Recht untertänig. Das Recht als Gehilfe der Macht.

3.) Erlaube keine kritische Öffentlichkeit. Das freie Wort und die freien Medien und die freie Forschung. Das muss runter gedimmt werden und muss einstimmig werden.

4.) Verschaffe denjenigen, die um ihre Rechte kämpfen, etwa als Arbeitnehmer keine eigenständigen Kampforganisation, sondern zähme die Gewerkschaftsbewegung, mache sie zu einem Organ der Staatsmacht oder der Interessen des Staates.

5.) Wenn das nicht ausreicht, schaffe ein System, das jederzeit bereit ist, großflächig Angst zu verbreiten. Dazu brauchst du einen Angstapparat, einen Geheimdienst, der den Leuten Angst machen kann und so ihre potenziellen Möglichkeiten runter dimmt.

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von Ingo Nöhr

Der Jahresrückblick 2024

Ingo Nöhr zum 1.Januar 2025 

Seit August 2012 protokolliert unser Chronist jeden Monat die Stammtischgespräche der beiden Klinikveteranen Ingo und Jupp über den Lauf der Weltgeschichte. Hier liefert er nun die 151. Folge ab, nachdem die beiden im 2023 ein Sabbatjahr eingelegt hatten. Stark verwundert rieben sie sich die Augen, als sie im Januar 2024 aus ihrem isolierten Refugium wieder auftauchten. Viel Neues war geschehen, aber die meisten Ereignisse hatten sich schon Jahre zuvor angekündigt: die wachsende Macht der Verlierer, der Klimawandel, die Inkompetenz von Entscheidungsträgern, der Vertrauensverlust in den Staat und in die Politik – nichts Überraschendes für die Beiden. Interessant sind eben die disruptiven Veränderungen, die schlagartig unvorhersagbare Wirkungen entwickeln können. Nachdem in Berlin und anderen Städten zu Sylvester wieder der übliche Kriegszustand gegen Polizei und Rettungskräfte ausgebrochen war, halten sie eine Rückschau auf das verflossene Jahr, auf der Suche nach dem Schwarzen Schwan von Nassim Nicholas Taleb.

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Hallo Ingo, schon wieder ein Jahr rum. Es war ja einiges los in den letzten zwölf Monaten. Hättest du das erwartet, als wir vor genau einem Jahr aus unserer medialen Isolation wieder aufgetaucht sind?

  • Nun ja, Jupp, ich war nicht ganz überrascht und erinnere nur an den Schwarzen Schwan von Taleb. Uns ging es blendend im Jahre 2023: keine Nachrichten, keine Panikmache, keine Ängste, sondern nur liebe Menschen und Natur um uns herum, begleitet von den schönen Künsten. Du hast mit Oleks und Doris neue Freunde gewonnen, und deinen Atombunker in eine kuschelige Gästewohnung mit Sauna umgewandelt. Wir fühlten uns wie der Truthahn, der ein Jahr liebevoll durchgepäppelt wurde. Steht uns jetzt auch der Thanksgiving Day bevor?  

Es könnte so aussehen, Ingo. Den Medien nach kommt Bunkerbauen aktuell wieder in Mode. Ich zitiere mal eine Nachricht von Ende November: Für den Ernstfall hat Deutschland derzeit noch viel zu wenige Bunkerplätze. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK) will das ändern. Einem Bericht zufolge sollen zwar nicht neue Einrichtungen gebaut, aber bestehende Gebäude umfunktioniert werden. Auch eine Handy-App soll Bürgerinnen und Bürger aufklären. Angesichts der sich verschärfenden internationalen Bedrohungslage erarbeitet das Bundesamt einen Bunkerschutzplan für Deutschland und prüfe derzeit, welche öffentlichen Gebäude im Bedarfsfall zu Schutzräumen umfunktioniert werden könnten.“
Wie du siehst, Ingo, ist die nächste Panikmache gerade in Arbeit: der böse Russe kommt. Er bedroht uns schon mit Atomwaffen. Und der Irre aus Nordkorea erprobt bereits die passenden Interkontinentalraketen.

  • Ja, gut beobachtet, der nächste Paniktrend kommt, Jupp. Augenscheinlich kann man heutzutage mit der Corona-Pandemie keine Ängste mehr erzeugen. Sie begann übrigens vor fast genau fünf Jahren. Damals im März 2020 wurde ein geheimes Strategiekonzept des Innenministeriums, das sogenannte „Panik-Papier“ an das Bundeskanzleramt verteilt und geleakt. Es sah vor, dass durch die Kommunikation eines Worst-Case-Szenarios der Covid-19-Infektionen eine Schockwirkung bei der Bevölkerung erzielt werden sollte, um die geplanten Ausnahmesituationen zu recht­-fertigen. Die beispiellosen Eingriffe des Staates in die Grundrechte der Deutschen waren historisch einmalig und haben eine tiefe Spaltung in der Bevölkerung erzeugt. Ängstliche Bürger kann man eben leichter regieren. Dabei feierten wir im Mai den 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes, welches mittlerweile schon stark belästigt wird.

Ich kann mich gut daran erinnern, Ingo. Mitte April 2022 verdrängte der Ukraine-Krieg die Schlag-zeilen von der Corona-Pandemie die Schlagzeilen. Daher schlug Gesundheitsminister Lauterbach in der „Bild-Zeitung“ nochmals zu: Im Herbst 2022 drohe Deutschland die „absolute Killervariante“ des Covid-19 Virus. Wow, wir werden alle sterben! Die Medien waren begeistert, die Selbstmord­rate stieg um 10% auf 10.119 in 2022 an. Die Katastrophe blieb allerdings aus, die Pandemie ging sogar in die endemische Phase über.

  • Die Panikstrategie war leider sehr erfolgreich, bei vielen Menschen manifestierte sich fast eine Hysterie. Keiner wollte durch ungehorsames Verhalten für das tägliche Sterben von Menschen noch als Kind für den Tod der Großeltern verantwortlich sein. 183 Tage lang wurden Schulen und Kindergärten bis Mitte 2021 entgegen vielfältiger Warnungen von Pädagogen, Soziologen und Psychologen immer wieder geschlossen. Warum trotzdem?

    Christian Drosten berichtet in seinem Buch „Alles überstanden?“ von einer Konferenz mit Regierungspolitikern im März 2020, bei der er und andere Experten hinzugezogen wurden: „Meine Argumentation in der Beratung war folgendermaßen: Wir haben in Deutschland durch den entwickelten Covid-Test schon die notwendige Diagnostik, wir wissen, wo es Infektionen gibt und wo nicht, wir können es uns leisten, lokal einzuschreiten. … Es gab eine Kaffeepause während der Konferenz, da kam jemand, ich weiß nicht mehr wer, zu Heyo Kroemer (Charité-Vorstand) und Lothar Wieler (RKI-Chef) und mir und sagte: „Die haben eh schon beschlossen, die Schulen dichtzumachen.“ Daraufhin prophezeite der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im April 2020: „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen.“ Die dramatischen Folgen für die Wirtschaft, das Bildungswesen und das Gesellschaftsleben erleben wir heute hautnah.

Ich erinnere mich gut daran, Ingo. Skeptiker und Kritiker bekämpfte man mit Ausgrenzung, Diffamierung und Sanktionen. Unglaub­lich, mit welchen Schmähungen sie belegt wurden: „Aasgeier der Pandemie“ nannte sie der grüne Ministerpräsident Kretschmann, „Bekloppte“ der Altbundespräsident Joachim Gauck, „gefährliche Sozialschädlinge“ oder gleich „Covidioten“. Ingo, mein Oleks kann diese Beleidigungen hundert­fach belegen. Diese Zitate kriegt man nicht mehr aus der Welt. Bislang hat sich dafür noch keiner bei ihm entschuldigt.

  • Mit dieser Panikmache spalteten die Politiker unsere Gesellschaft in zwei Lager, die sich unversöhnlich gegenüberstanden. Nun kommt langsam heraus, dass die Bedenken der Querdenker über die Wirkung von Masken, die Immunität von Geimpften und die Sicherheit der Impfstoffe doch teilweise berechtigt waren. Der massive Vertrauensverlust in den Staat zeigt nun zunehmend Konsequenzen. Vielmehr erleben zurzeit die bislang etablierten Parteien selbst eigene Panikattacken: die AfD-Politikerin Alice Weidel und die BSW-Gründerin Sarah Wagen­knecht treten als Kanzlerkandidatinnen an. Jupp, du weißt ja: Frauen-Power in die Politik. Und dummerweise hatten die beiden Damen bei den letzten drei Landtagswahlen im September einen beängstigenden Erfolg. Dabei war es lange vorhersehbar: die Verlierer organisieren sich und streben Mehrheiten an. Laut Elon Musks Appell in der WELT am Sonntag kann nur noch die AfD unser verrottetes Deutschland retten.

Dabei sind vor genau einem Jahr über eine Million Deutsche gegen die AfD und Neonazis auf die Straße gegangen, als beim Potsdamer Geheimtreffen der Rechtsextremen die geplante massen­hafte Rückführung von Menschen ans Tageslicht kam. Aber irgendwo ist diese Protestwelle wieder verpufft. Vermutlich hat das zuletzt kaum erträgliche Ampel-Gehampel die Politikverdrossenheit mächtig gesteigert. Dabei hatte die Regierung doch im April extra als ein Bonbon für die Wähler den Cannabis-Konsum freigegeben.  

  • Ein Beispiel für disruptive Politik, die allerdings für die Europa-Wahl im Juni nichts gebracht hat. Ich denke mal, das Signal ging an die falsche Wählergruppe. Die ehrwürdigen Stamm­wähler konnten wohl nichts mit der neuen Freiheit anfangen. Und die Zielgruppe für die Haschisch-Freigabe zählt nicht gerade zu den emsigen Wählern.

Ingo, das erinnert mich gerade an die strikte Vorgabe an die SED-Parteileitungen der ehemaligen DDR: immer dann, wenn die Regale in den Kaufläden leer blieben, mussten genügend Wodka-Vorräte für die Bevölkerung bereitstehen.

  • In Russland scheint der Trick auch zu funktionieren. Schätzungsweise jeder fünfte Russe ist mittlerweile Alkoholiker. Jedes Jahr trinken sich dort 40.000 Menschen zu Tode. Der Alkoholabsatz ist 2022 gegenüber dem Vorjahr um 4,2 Prozent gestiegen. Hauptgrund ist die ökonomische Krise durch den Ukraine-Krieg. Die radikale Kriegswirtschaft Putins ruiniert langfristig die nachhaltige Entwicklung der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen.

Wir Deutschen sollten in diesem Punkt nicht überheblich sein. Wir haben unsere Infrastrukturen inklusive der Bundeswehr ebenfalls jahrzehntelang total vernachlässigt. Im gleichen Monat Juni blamierte sich das deutsche Verkehrswesen während der EM bei der europäischen Fußballgenera­tion auf gründlichste Art und Weise. Das Internet war voll mit den lustigen Reiseerlebnissen der internationalen Fans. Dafür konnte Frankreichs Präsident Macron in Paris der Welt mal zeigen, wie eine perfekte Olympiade auszusehen hat.

  • Was geschah noch Aufregendes, Jupp? In der zweiten Jahreshälfte wurde es in den USA spannend: Donald Trump stieg im Juli nach dem missglückten Attentatsversuch zum gott­gesegneten Märtyrer auf. Im Monat danach wurde Joe Biden gnädigerweise durch Kamala Harris als Kandidatin ersetzt. Aber dann kam doch im November die Überraschung: der über­zeugende Sieg von Trump. In den deutschen Medien wurde er intensiv begleitet vom Rauswurf des deutschen Finanzministers Lindner und dem Zusammenbruch der Ampel­koalition. Das waren ebenfalls überzeugende disruptive Momente im politischen Geschehen.

Ingo, das Jahr 2025 verspricht dadurch wirklich spannend zu werden, auch angesichts der Kriege in Nahost und der Ukraine. Netanjahu hat sein Ziel bald erreicht, die Zweistaatenlösung für die Palästinenser in den Boden zu stampfen: Der Gaza-Streifen wurde in eine unbewohnbare Trümmerwüste verwandelt. Das Westjordanland wird zunehmend von den illegalen Siedlerdörfern besetzt. Führungskräfte von Hamas und Hisbollah werden auch im Ausland niedergebombt und die Welt schaut dem Völkermord an den Palästinensern betroffen und hilflos zu. Ja, und Putin konnte mit den nordkoreanischen Soldaten seine dezimierte Armee vorübergehend aufstocken, bis auch von denen kaum noch welche übrig blieben. Was wird Donald Trump wohl außenpolitisch in der Welt anrichten, was meinst du, Ingo?

  • Jupp, ich glaube, dass er aufgrund seiner politischen Inkompetenz sein „glorreiches Amerika“ in die zweite Welt-Liga zurückwerfen wird. Die vom „America first“ betroffenen Staaten haben sich schon längst um die BRICS-Gruppe gescharrt und bauen US-unabhängige Wirtschafts- und Finanzstrukturen auf. Vor seiner Haustür hat die EU gerade den weltweit größten Freihandelsmarkt mit den MERCOSUR-Staaten in Südamerika gestartet. Und mit seinen geliebten Zöllen wird er sich China weiterhin zum Feind machen.

Ich denke mal Ingo, er trumpelt nicht nur in der Außenpolitik. Er will Millionen Migranten aus seinem Land werfen, ohne daran zu denken, dass sie in seinem Markt unersetzlich sind. Er will den Umweltschutz fast auf Null zurückfahren, ohne den Klimawandel ernst zu nehmen. Dabei kommen die Einschläge immer näher. Bei der Pilgerreise nach Mekka starben im Juni 1.300 Moslems bei 50°C an Hitzschlag. Im Mai hatten wir eine Jahrhundertflut in Deutschland und im Oktober über 230 Flutopfer in Spanien. Die Meteorologen berichten vom wärmsten Jahr seit der Wetteraufzeichnung 1881 und halten das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 1,5 Grad schon für verfehlt. Die US-Amerikaner werden künftig immer häufiger verheerende Naturkatastrophen zu erwarten haben: Tornados, Hurrikans, Waldbrände, Überschwemmungen, Dürren und Erdbeben. Da wird Trump ganz andere Probleme lösen müssen als seine GröPaZ-Planungen vorsehen.

  • Ja, so ist das, lieber Jupp. Wer aus den Fehlern nicht lernen will, muss später einen gewaltigen Preis bezahlen. Leider sind das meistens die Unschuldigen. Auch bei uns wird es angesichts der vielfältigen Verstrickungen unserer Behörden und Ministerien in die teilweise strafwürdigen Corona-Maßnahmen keine wirksame Aufarbeitung der Fehler geben können. Der Staatsapparat ist dafür zu träge, zu behäbig und viel zu beamtisch. Das Beamtentum stammt ja noch aus einer Zeit, in der sich ein Alleinherrscher der absoluten Treue und Ergebenheit seiner Mitarbeiter sicher sein musste. Es hat klaglos umzusetzen, was die meist inkompetenten Politiker in ihrer Machtherrlichkeit entscheiden. Unsere Strukturen sind schon lange nicht mehr zeitgemäß und mit komplex-dynamischen Prozessen völlig überfordert. Inzwischen glauben ja schon manche Leute, dass man in Zukunft voraussichtlich eine Großteil der Aufgaben von der Künstlichen Intelligenz erledigen lassen kann.

Ja, was nun, mein lieber Ingo? Sollen wir uns wieder in unsere heimische Idylle zurückziehen und alle Medien abschalten, um von dem kommenden Irrsinn verschont zu bleiben?

  • Wir leben gerade in aufregenden Zeiten, fast wie Zeitzeugen bei der französischen Revolution. Ich möchte das Geschehen auf der Weltbühne als interessierter Zuschauer in der zweiten Reihe verfolgen, ohne darin verwickelt zu sein. Wir haben beide unsere vertrauten Rückzugsorte, in denen wir glücklich und sorglos weiterleben können. Sollte der Atomschlag kommen, möchten meine Körperatome in Millisekunden als Energie in den Himmel aufsteigen. Lass uns daher weiterhin bei einem frisch gezapften Bier die monatliche Bestandsaufnahme machen und uns über die Blödheit mancher Menschen wundern.

Exzellent gesprochen, Ingo. So machen wir das.
Herr Wirt, bitte zwei Bier an die Chronisten des Weltuntergangs.

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Vor einem Jahr: Auszug aus dem Gespräch vom 1. Januar 2024:

Mir fällt auch auf, dass wir beide in unserer realitätsalternativen Zufriedenheit kaum noch eine Unter­scheidung zwischen optimistischen und pessimistischen Ansichten treffen können. Wir haben einfach den Endpunkt unserer Zufriedenheit erreicht und beobachten nun interessiert und staunend die bevorstehenden Revolutionen um uns herum. Wer hätte das am Anfang mal gedacht?

Vor fünf Jahren:  Auszug aus dem Gespräch vom 1. Januar 2021:

Wir erleben heutzutage klassische Filterblasen, welche durch die Zeitungen, Fernsehberichte und Social Media permanent gefüttert werden. Viele Menschen sind mit der Komplexität der Welt und der daraus auf sie einströmenden Nachrichten völlig überfordert und klammern sich an einfache Antworten. Sie misstrauen dem Staat und den Politikern und glauben nicht mehr daran, dass diese noch die Interessen der kleinen Leute vertreten. Deswegen ist Trump wohl so lange erfolgreich gewesen: er ist die Identifikationsfigur der wütenden Verlierer.

Vor zehn Jahren: Auszug aus dem Gespräch vom 1. Januar 2015:  

Ich halte diese Entwicklung für eine ungewollte Nebenwirkung unseres Regulierungssystems. Ein ausge­sprochenes Prachtexemplar für solche sichtbehinderten Handwerker sind die Juristen bei den Gesetzgebern in Deutschland und Europa, die zuverlässig für ein unbegrenztes Wachstum der Bürokratie sorgen. Eine Untersuchung von knapp 700 Gesetzen der letzten schwarz-gelben Regierungskoalition war ernüchternd: 76% steigerten die Bürokratiekosten, 58% wurden nach kurzer Zeit wieder geändert, 50% waren sprachlich unverständlich. ...

Angela Merkel rief daraufhin eine Kampagne des Bürokratieabbaus ins Leben. In einem Jahr erhöhte sich bei einer Entlastung von 0,66 Mrd. € leider der Erfüllungsaufwand um 1,5 Mrd. €. Es entstanden einmalige Bürokratiekosten von 4,36 Mrd. € mit einer dauerhaften Belastung von 2,16 Mrd. €.

Das Parkinsonsche Gesetz ist weiterhin gültig. Jeder Beamte hat das Ziel, die Zahl seiner Untergebenen zu vergrößern. Und sie verschaffen sich gegenseitig Arbeit.

Aktuelles Update nach zehn Jahren:

Kollege Wolfgang schickte unserem Chronisten eine Analyse über die Bundesbeauftragten von Cicero online (26.12.2024). Fast alle der 66 berufenen, ernannten oder gewählten, oft gut bezahlten Beauftragten haben mit echter Politik, Handeln und Entscheiden nichts oder nur wenig zu tun, sondern sind eher Problembenenner als Problemlöser.

Kennt jemand den Radwegebeauftragten, den Beauftragten für die Zeitenwende oder den Beauftragten für die soziale Innovation?  Am 10. September 2024 traten erstmals acht Beauftragte gemeinsam in der Bundespressekonferenz auf: dabei waren die Antidiskriminierungs-, Antisemitismus-, Queer- und die Aussiedlerfragen- und nationale Minderheiten-Beauftragten.

Nur für die Stadt Berlin gibt es Beauftragte für digitale Barrierefreiheit, für Tierschutz, Drogen, Psychiatrie und für die freiwillige Feuerwehr. Von den 66 Beauftragten haben 10 so etwas wie eine eigene Behörde mit einem Beamtenapparat. Der Bund gibt für alle insgesamt 2,4 Milliarden Euro aus, darunter allein 2,1 Milliarden Euro für die Beauftragte für Kultur und Medien. Staatsministerin Claudia Roth ist allerdings auch für die Filmförderung, das Bundesarchiv und einige Museen zuständig und hat somit anstelle eines Kultusministeriums ausreichend Aufgaben zu erfüllen.

Die Ampelkoalition hat gleich 18 neue Beauftragte mit Aufwandsentschädigungen zwischen 20.000 bis 200.000 Euro eingesetzt. Die Parallelstrukturen lähmen eher den politischen Betrieb anstatt förderlich zu sein. Schlußzitat aus Cicero: „Die Probleme würden mitunter größer dargestellt, als sie eigentlich seien, um die eigene Bedeutung zu betonen. Der „Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“ dient Reinhard Mey übrigens der „Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars“. Doch die „braucht sowieso kein Schwein mehr“, so endet das Lied.“    

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