Nachrichten 2021

von Wolfgang Menke

Verordnung über IVD wird schrittweise eingeführt

Die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR), die am 26. Mai 2022 Geltung erlangt, kann nach Zustimmung durch das Europäische Parlament am 15.12. und den Rat am 20.12.2021 nun schrittweise eingeführt werden.

Durch die COVID-19-Pandemie hat sich die Umsetzung der Verordnung über In-vitro-Diagnostika aus dem Jahr 2017 mit strengeren Anforderungen und einer stärkeren Einbindung von Benannten Stellen verzögert. Um zu verhindern, dass die Versorgung mit wichtigen Produkten für das Gesundheitswesen durch diese Verzögerungen gestört wird, hat die Kommission im Oktober 2021 vorgeschlagen, die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVD) schrittweise einzuführen. Durch die Annahme dieses Vorschlags durch die gesetzgebenden Organe wird es zu keinen Versorgungsengpässen kommen.

Die Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Stella Kyriakides begrüßte die Annahme: „Inmitten einer beispiellosen Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit können wir keine Lieferengpässe bei grundlegenden Medizinprodukten riskieren. Die Gesundheitssysteme und alltäglichen Gesundheitsdienste standen unter beispiellosem Druck. Gleichzeitig hat die Pandemie überdeutlich gezeigt, wie lebenswichtig zuverlässige Diagnosetests und ein belastbarer Rechtsrahmen für In-vitro-Diagnostika sind. Die Änderung der Verordnung über In-vitro-Diagnostika wird dafür sorgen, dass entscheidende Medizinprodukte wie etwa Corona- oder HIV-Tests weiter erhältlich und sicher bleiben“.

Die neuen Regelungen ändern die Stichtage, nicht aber die inhaltlichen Anforderungen  

Die Änderungsverordnung ändert keine der Anforderungen in der ursprünglichen Verordnung über In-Vitro-Diagnostika (IVD) aus dem Jahr 2017. Sie ändert lediglich den Stichtag, ab wann einige dieser Anforderungen für bestimmte Medizinprodukte gelten. Für Produkte mit höherem Risiko wie HIV- oder Hepatitis-Tests (IVD der Klasse D) gelten die neuen Anforderungen ab Mai 2025. Für die nächstniedrigere Risikoklasse (IVD der Klasse C) wie Influenza-Tests wird der Geltungsbeginn bis Mai 2026 verschoben. Für Diagnostika der unteren Risikoklassen (IVD der Klasse B und sterile IVD der Klasse A) wird die Geltung im Mai 2027 beginnen.

Auch Geltungsbeginn bestimmter Anforderungen an sog. „hausinterne Produkte“ ändert sich

Darüber hinaus verschiebt sich der Geltungsbeginn bestimmter Anforderungen an Produkte, die in ein und derselben Gesundheitseinrichtung hergestellt und verwendet werden (sogenannte „hausinterne Produkte“) um zwei Jahre bis Mai 2024. Können die Gesundheitseinrichtungen jedoch nachweisen, dass kein gleichwertiges Produkt auf dem Markt erhältlich ist, enden die Übergangsfristen erst im Mai 2028.

Hintergrund: Mit der ursprünglichen IVD-Verordnung aus dem Jahre 2017 wurden wesentliche Änderungen des Rechtsrahmens für In-vitro-Diagnostika wie HIV-Tests, Schwangerschaftstests oder SARS-CoV-2- Tests eingeführt. Die Konformitätsbewertungsstellen (die sogenannten „Benannten Stellen“) sollen eine wichtigere Rolle spielen: Als unabhängige Stellen sollen sie überwachen, ob die Produkte vor dem Inverkehrbringen auf dem EU-Markt die Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen. Generell wird die IVD-Verordnung, wie geplant, ab dem 26. Mai 2022 gelten. Es herrscht jedoch ein erheblicher Mangel an Kapazitäten bei den Benannten Stellen, was es den Herstellern unmöglich macht, die gesetzlich vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren rechtzeitig durchzuführen. Ohne gesetzgeberische Maßnahmen hätte die Versorgung mit verschiedenen wichtigen In-vitro-Diagnostika auf dem Markt stark gefährdet werden können, was sich auf die Diagnose und den Zugang der Patientinnen und Patienten zu einer geeigneten Gesundheitsversorgung auswirkt. Für Produkte mit CE-Kennzeichnung, die im Rahmen der IVD-Verordnung keine Mitwirkung der Benannten Stellen erfordern, oder für Produkte, die „neu“ sind, d. h. Produkte, für die weder eine Bescheinigung der Benannten Stellen noch eine Konformitätserklärung gemäß der geltenden Richtlinie 98/79/EG vorliegt, werden keine Änderungen vorgeschlagen. Für diese Produkte wird die IVD-Verordnung daher wie geplant ab dem 26. Mai 2022 gelten (Quellen: Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2021 und Text der Änderungsverordnung).

VERORDNUNG (EU) 2021/… DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom …

zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/746

hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte In-vitro-Diagnostika

und des späteren Geltungsbeginns der Bedingungen für hausinterne Produkte

 

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/PE-79-2021-INIT/de/pdf

 

VERORDNUNG (EU) 2021/… DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom …

zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/746

hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte In-vitro-Diagnostika

und des späteren Geltungsbeginns der Bedingungen für hausinterne Produkte

(Auszug, Quelle: EU, PE-CONS 79/21, 2021/0232 (COD), DE, Seiten 9 bis 14)

Artikel 1

Die Verordnung (EU) 2017/746 wird wie folgt geändert:

1. Artikel 110 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

i) In Unterabsatz 1 wird das Datum „27. Mai 2024“ durch das Datum „27. Mai 2025“ ersetzt.

ii) In Unterabsatz 2 wird das Datum „27. Mai 2024“ durch das Datum „27. Mai 2025“ ersetzt.

 b) Die Absätze 3 und 4 erhalten folgende Fassung:

„(3) Abweichend von Artikel 5 dieser Verordnung dürfen die in den Unterabsätzen 2 und 3 dieses Absatzes genannten Produkte bis zu den in den genannten Unterabsätzen genannten Zeitpunkten in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn diese Produkte ab dem Datum des Geltungsbeginns dieser Verordnung weiterhin der Richtlinie 98/79/EG entsprechen und keine wesentlichen Veränderungen der Auslegung und Zweckbestimmung dieser Produkte vorliegen.

Produkte, für die gemäß der Richtlinie 98/79/EG eine aufgrund von Absatz 2 gültige Bescheinigung ausgestellt wurde, dürfen bis zum 26. Mai 2025 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden.

Produkte, für die das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der Richtlinie 98/79/EG nicht die Mitwirkung einer benannten Stelle erforderte, für die vor dem 26. Mai 2022 eine Konformitätserklärung gemäß der genannten Richtlinie ausgestellt wurde und für die das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der vorliegenden Verordnung die Mitwirkung einer benannten Stelle erfordert, dürfen bis zu folgenden Zeitpunkten in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden:

a) 26. Mai 2025 für Produkte der Klasse D;

b) 26. Mai 2026 für Produkte der Klasse C;

c) 26. Mai 2027 für Produkte der Klasse B;

d) 26. Mai 2027 für Produkte der Klasse A, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden.

Abweichend von Unterabsatz 1 gelten die Anforderungen dieser Verordnung an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, die Vigilanz, die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und von Produkten für Produkte gemäß den Unterabsätzen 2 und 3 anstelle der entsprechenden Anforderungen der Richtlinie 98/79/EG.

Unbeschadet des Kapitels IV und des Absatzes 1 bleibt die Benannte Stelle, die die Bescheinigung gemäß Unterabsatz 2 ausgestellt hat, für die angemessene Überwachung aller geltenden Anforderungen an die von ihr zertifizierten Produkte verantwortlich.

(4) Produkte, die vor dem 26. Mai 2022 gemäß der Richtlinie 98/79/EG rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, können bis zum 26. Mai 2025 weiterhin auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.

Produkte, die ab dem 26. Mai 2022 gemäß Absatz 3 rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, dürfen bis zu folgenden Zeitpunkten weiterhin auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden:

a) 26. Mai 2026 für Produkte gemäß Absatz 3 Unterabsatz 2 oder Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstabe a;

b) 26. Mai 2027 für Produkte gemäß Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstabe b;

c) 26. Mai 2028 für Produkte gemäß Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstaben c und d.“

2. In Artikel 112 Absatz 2 wird das Datum „27. Mai 2025“ durch das Datum „26. Mai 2028“
ersetzt.

3. In Artikel 113 Absatz 3 werden die folgenden Buchstaben angefügt:
„i) Artikel 5 Absatz 5 Buchstaben b und c und e bis i findet ab dem 26. Mai 2024 Anwendung.

j) Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe d findet ab dem 26. Mai 2028 Anwendung.“

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu ...

Im Namen des Europäischen Parlaments   

Der Präsident

Im Namen des Rates

Der Präsident                                              

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von Rudi Wuttke

Mehr Vorkommnis-Meldungen zu medizinischen Strahlenanwendungen

Um das hohe Niveau des Strahlenschutzes bei Strahlenanwendungen in der Medizin zu gewährleisten und kontinuierlich zu verbessern, werden unbeabsichtigte oder unfallbedingte Vorkommnisse in der Medizin erfasst und ausgewertet. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat dafür 2019 ein webbasiertes System eingerichtet. Jetzt ist der zweite Jahresbericht für 2020 erschienen.

Werden bei Vorkommnissen bestimmte Meldekriterien erfüllt, etwa wenn Hautschäden auftreten, es zu einer Dosisüberschreitung kommt oder Patienten verwechselt werden, dann handelt es sich im Sinne des Strahlenschutzrechts um ein bedeutsames Vorkommnis in der Medizin und ist meldepflichtig. Solche Vorkommnisse werden von den Strahlenschutzverantwortlichen von Krankenhäusern, Praxen oder medizinischen Versorgungszentren an die zuständige Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes gemeldet. Diese Behörden bewerten die gemeldeten Vorkommnisse, ordnen gegebenenfalls Maßnahmen an und geben die bewerteten Meldungen elektronisch und pseudonymisiert an das Bundesamt für Strahlenschutz weiter.

Auch bei Strahlenanwendungen aus Fehlern lernen

Zur bundeseinheitlichen Erfassung und Auswertung von bedeutsamen Vorkommnissen hat das BfS ein webbasiertes IT-System "BeVoMed" (Bedeutsame Vorkommnisse in der Medizin) eingerichtet. Zuständige Behörden können dafür einen Zugang beim BfS beantragen. Antworten auf häufige Fragen, etwa zur Anwendung der Meldekriterien in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), finden sich auf der BfS Homepage in einer FAQ-Liste. Das Bundesamt für Strahlenschutz appelliert in diesem Zusammenhang an die Strahlenschutzverantwortlichen aus dem ambulanten wie dem stationären Sektor, eine entsprechende Fehlerkultur in ihren Einrichtungen zu fördern und bedeutsame Vorkommnisse stets unverzüglich an die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde zu melden.

Das BfS arbeitet die Meldungen wissenschaftlich mit dem Ziel auf, vergleichbare Vorkommnisse zukünftig in anderen Einrichtungen möglichst zu vermeiden. Die Ergebnisse und daraus abgeleitete Empfehlungen für den Strahlenschutz werden regelmäßig in Jahresberichten veröffentlicht, deren zweiter gerade für 2021 erschienen ist.

Auswertung der 2020 gemeldeten bedeutsamen Vorkommnisse

Für 2020 lagen 102 abgeschlossene Meldungen über bedeutsame Vorkommnisse vor, 40 Prozent mehr als 2019. Diese Abschlussmeldungen verteilten sich folgendermaßen auf die medizinischen Fachgebiete (in Klammern jeweils die Anzahl der Vorkommnisse in 2019):

  • Röntgendiagnostik (einschließlich Röntgendurchleuchtung): 35 (8)
  • Interventionen (zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken): 13 (1)
  • Strahlentherapie: 47 (53)
  • Nuklearmedizin (Diagnostik und Therapie): 7 (11)

Wie schon zuvor entfielen die meisten Meldungen auf die Strahlentherapie. Dabei handelte es sich insbesondere um 19 Fälle von Personenverwechslung und 14 Fälle von Bestrahlungsplanverwechslung. Aufschlussreiche Beispielfälle u.a. von Planverwechslung, Radiopharmakon-Verwechslung, Kontamination und CT-Dosisüberschreitungen werden in Kapitel 3 ausführlich beschrieben, Kapitel 4 enthält eine systematische Auswertung (Quellen: Jahresbericht 2020 und Pressematerial des BfS).   

Fazit und Ausblick:

Erfahrungen aus anderen Ländern und anderen Bereichen haben gezeigt, dass es ein schwieriges und langwieriges Unterfangen ist, akzeptierte und funktionierende Melde- und Informationssysteme für die Patientensicherheit aufzubauen und zu etablieren. Während in der Strahlentherapie bereits seit Jahren flächendeckend eine Meldekultur existiert, entwickelt sich eine solche in der Röntgendiagnostik erst. Für diese Einschätzung des Bundesamtes spricht der starke Anstieg der Vorkommnismeldungen in diesem Fachgebiet auf 35 im Jahr 2020 gegenüber noch 8 im Vorjahr.   

Dennoch scheint die Gesamtzahl an Meldungen über bedeutsame Vorkommnisse noch deutlich zu niedrig zu sein in Anbetracht der hohen Zahl von Anwendungen in Deutschland, nach Angaben des BfS ca. 13 Millionen CT-Untersuchungen und ca. 2 Millionen nuklearmedizinische Untersuchungen pro Jahr (Seite 16 des Berichts): „Basierend auf den Ergebnissen eines vom BfS konzipierten und betreuten Forschungsvorhabens kann die Anzahl der bedeutsamen Vorkommnisse allein bei der CT und Durchleuchtung im Krankenhaussektor grob auf mehr als 1.000 Vorkommnisse pro Jahr abgeschätzt werden“.

Im Sinne der Patientensicherheit ist aus Sicht des Bundesamtes sowohl eine ausreichende Personalausstattung zu gewährleisten als auch die Funktionsfähigkeit adäquater Sicherheitsvorkehrungen. Grundsätzlich sollten nach Auffassung des BfS zur Vermeidung von bedeutsamen Vorkommnissen, wo irgend möglich, Maßnahmen der Verhältnisprävention gegenüber solchen der Verhaltensprävention bevorzugt werden: Demnach sind technische Hilfsmittel wie eine Patientenidentifikation durch Gesichtserkennung oder Dosismanagementsysteme gegenüber organisatorischen Vorgaben in Form von Arbeitsanweisungen zu favorisieren.

Die Definition von strahlenschutzrelevanten Vorkommnissen geht über die Meldepflichten nach Arzneimittel- und Medizinprodukterecht hinaus. Strahlenschutzrechtliche Meldungen ersetzen jedoch nicht die notwendigen Meldungen nach diesen Rechtsbereichen, z. B. bei technisch bedingten Vorkommnissen, etwa wegen eines Gerätedefekts oder mangelhafter Ergonomie. Nur so kann nach Auffassung des BfS eine Verbesserung auf technischer Seite durch die Hersteller angestoßen werden (Quelle: Jahresbericht 2020).

Literatur:

Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

Jahresbericht 2020

Melde- und Informationssystem für bedeutsame Vorkommnisse bei Strahlenanwendungen am Menschen

Bericht der zentralen Stelle gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 6 StrlSchV 

BfS-35/21

MB 1 | Ermittlung und Bewertung der Strahlenexposition von Patienten in Diagnostik und Therapie 

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0221-2021111930029

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von Wolfgang Menke

Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) mit neuen Erkenntnissen

Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) mit neuen Erkenntnissen

- Hohes Übergewicht erhöht Risiko für Infektion nach Hüft-Erstimplantation

- Patienten über 75 Jahre profitieren von Hüftschaft-Zementierung

- Mögliche Probleme durch sog. Mismatch werden systematisch adressiert

Kürzlich hat das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) seinen Jahresbericht veröffentlicht. Dieser befasst sich u.a. mit periprothetischen Infektionen und und sog. Mismatch von Prothesenteilen sowie deren Verhinderung. Im Jahr 2020 hat das EPRD mehr als 290.000 endoprothetische Eingriffe an Hüften und Knien erfasst – 2019 waren es noch über 318.000. Dies entspricht einem Rückgang von ca. neun Prozent.

Hohes Übergewicht ist ein entscheidender Risikofaktor für Infektionen nach elektiven Hüft-Erstimplantationen

Infektionen zählen mit rund 15 Prozent zu den am häufigsten genannten Wechselgründen an Hüften und Knien. Insbesondere im Zeitraum bis zu zwei Jahre nach der Erstimplantation ist die periprothetische Infektion Grund – je nach Versorgungsform – für bis zu 50 Prozent der  Wechseleingriffe. Als eine wesentliche Einflussgröße für das Infektionsrisiko erweist sich dabei hohes Übergewicht der Patienten. Dieser Zusammenhang ist deutlich bei Patienten zu erkennen, die eine elektive Hüfttotalendoprothese mit zementfreiem Schaft erhalten haben: Patienten mit einem BMI unter 30 haben ein Risiko von unter einem Prozent, eine Infektion zu erleiden. Bei Patienten mit einem BMI zwischen 35 und 40 ist dieses Risiko mehr als doppelt so hoch.

Bei Patienten ab 75 Jahren ist eine Zementierung der Hüftschäfte ratsam

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 147.739 Hüft-Erstimplantationen an das EPRD gemeldet. Bei den Hüftersteingriffen werden in mehr als 88 Prozent der Fälle Hüfttotalendoprothesen implantiert, Hüftteilendoprothesen nur in rund 11 Prozent der Fälle.

Bei den Hüfttotalendoprothesen werden knapp 78 Prozent unzementiert in den Körper der Patienten eingesetzt. Der Anteil der Versorgungen, bei denen sowohl Hüftschaft als auch -pfanne zementiert implantiert wurden, lag 2014 noch bei rund acht Prozent, 2020 waren es nur noch gut vier Prozent.  Die Verankerung der Hüfttotalendoprothese ohne Zement stellt inzwischen also eine Standardbehandlung für das Gros der Patienten dar. Auswertungen des EPRD wie auch internationale Studien zeigen allerdings: Bei älteren Menschen muss offenbar umgedacht werden. Die Wahrscheinlichkeit eines Implantatausfalls ist bei Menschen über 75 Jahren deutlich erhöht, wenn der Schaft nicht zementiert wird.

Risikomanagement: Mismatch-Identifikation durch das EPRD

Von einem sogenannten Mismatch ist die Rede, wenn Prothesenteile eines Implantats in der Kombination nicht zusammenpassen. Diese Fälle sind selten. Während solche Kombinationen in einzelnen Revisionsfällen vom Operateur bewusst aus medizinischen Gründen gewählt werden, sind sie bei Erstimplantationen nicht notwendig und können für den Patienten gravierende Folgen nach sich ziehen.

Derzeit geht das EPRD davon aus, dass im vergangenen Jahr bei einer dreistelligen Zahl von dokumentierten Primärversorgungen ein Komponenten-Mismatch oder zumindest eine deutliche Abweichung von den Herstellervorgaben vorlag. Solche Abweichungen können hier nur in einer beispielhaften Übersicht aufgeführt werden, für Einzelheiten muss auf den EPRD-Jahresbericht 2021 verwiesen werden (Seiten 170 bis 172):

  • Bei 52 Versorgungen wich die Größe des Kopfes der Hüfttotalendoprothese vom Innendurchmesser des Inserts bzw. der Pfanne ab.
  • Die Konen von Hüftschaft und -kopf passten in drei Fällen nicht zusammen. Bei zwei der Fälle stammten die Schaft- und die Kopfkomponente von verschiedenen Herstellern. Ein Konus-Mismatch führt bei Metallköpfen immer zu einer erhöhten Freisetzung von Metallionen, bei Keramikköpfen zu einer Erhöhung der Bruchgefahr.
  • Bei 476 Knietotalendoprothesen wurden Komponenten dokumentiert, die für eine bestimmte Körperseite vorgesehen sind, der Eingriff aber für das contra-laterale Knie im Register dokumentiert. Das EPRD geht davon aus, dass es sich in den meisten dieser Fälle nicht um wirkliches Mismatch, sondern lediglich um eine falsche Seitenangabe bei der Dokumentation handelt.
  • Bei 16 unikondylären Versorgungen wurden Komponenten, die laut Hersteller ausschließlich für die Verwendung auf der Knieinnenseite bestimmt sind, mit Komponenten, die nur für die Knieaußenseite zugelassen sind, kombiniert.

Um Mismatch künftig weitmöglichst auszuschließen, hat das Endoprothesenregister Deutschland ein System etabliert, um Kliniken so zeitnah wie möglich über Probleme bei der Komponentenwahl zu informieren. Dies erfolgt zum einen durch einen Warnhinweis in der Erfassungssoftware; zum anderen erhalten die Kliniken monatlich einen Bericht über etwaige  Probleme aus den Dokumentationen des Vormonats. Ermöglicht wird dieses Risikomanagement-Instrument durch die Produktdatenbank des EPRD. Seit der Inbetriebnahme des EPRD 2012 speisen die Implantathersteller die Datenbank mit detaillierten Informationen zu Produkteigenschaften und Funktionalitäten ihrer Artikel. Die Datenbank umfasst derzeit etwa 67.000 Einzelartikel und ist in ihrer Granularität und ihren Klassifikationsmerkmalen weltweit einzigartig.

Weitere Informationen: EPRD-Jahresbericht 2021

https://www.eprd.de/fileadmin/user_upload/Dateien/Publikationen/Berichte/Jahresbericht2021_2021-10-25_F.pdf

 

Hintergrundinformationen zum Endoprothesenregister Deutschland:
Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) ist ein freiwilliges Register. Ziel ist die Qualitätsmessung und -darstellung der endoprothetischen Versorgung in Deutschland. Das EPRD wurde 2010 auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC) gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband GbR, dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) sowie dem Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) aufgebaut. Betreiber des EPRD ist die gemeinnützige EPRD Deutsche Endoprothesenregister gGmbH, eine hundertprozentige Tochter der DGOOC. Mit mehr als 1,9 Millionen erfassten Dokumentationen ist das EPRD das zweitgrößte endoprothetische Register Europas.

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von Wolfgang Menke

Dringende Sicherheitsmitteilungen von Philips Respironics

Am 22. Juni hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zwei „Dringende Sicherheitsmeldungen“ von Philips Respironics zu Schlaf- und Atemtherapiegeräten und zu Beatmungsgeräten veröffentlicht. Einige der betroffenen Gerätarten werden vor allem im häuslichen Bereich eingesetzt, andere in erster Linie im klinischen Umfeld.  

Die Schilderung der Ursachen für die Probleme ist bei beiden Meldungen praktisch identisch, sie unterscheiden sich aber teilweise hinsichtlich der aufgeführten Maßnahmen, die von den Benutzern zu ergreifen sind.

Philips Respironics nennt zwei Probleme im Zusammenhang mit dem schalldämpfenden Schaumstoff aus Polyesterbasiertem Polyurethan (PE-PUR), der in bestimmten Typen von Atemtherapie- und Beatmungsgeräten verwendet worden ist:

  1. PE-PUR-Schaum kann sich in Partikel zersetzen, die in den Luftweg des Geräts gelangen und vom Benutzer aufgenommen oder eingeatmet werden können, und
  2. der PE-PUR-Schaum kann bestimmte Chemikalien in Form flüchtiger organischer Verbindungen freisetzen.

Nach Angaben von Philips kann die Zersetzung des Schaumstoffs durch die Verwendung von nicht zugelassenen Reinigungsmethoden, wie z. B. Ozon, verstärkt werden.

Berichte von Todesfällen liegen nicht vor

Bisher hat Philips einige Reklamationen in Bezug auf das Vorliegen schwarzer Ablagerungen/Partikel im Luftkreislauf (ausgehend von Geräteauslass, Befeuchter, Schlauch und Maske) erhalten. Philips wurden außerdem Fälle von Kopfschmerzen, Reizung der oberen Atemwege, Husten, Druck im Brustkorb und Nebenhöhlenentzündungen gemeldet. Die Freisetzung von Partikeln und Chemikalien können vielfältige gesundheitliche Risiken und Folgen haben. Berichte von Todesfällen, die auf diese Probleme zurückzuführen sind, liegen nach Angaben des Herstellers nicht vor.

Keine eigenmächtige Änderung verordneter Therapien

Der Hersteller führt in seinen Mitteilungen verschiedene Maßnahmen auf, die Benutzer unverzüglich zu ergreifen haben, nachdem er selbst einige Monat zur Abklärung des Sachverhalts benötigt hat:

- Kontaktaufnahme zu behandelnden bzw. verordnenden Ärzten zur Festlegung der weiteren Behandlung. Die kann in der Fortsetzung der Therapie mit dem betroffenen Gerät bestehen, wenn es keine besseren Alternativen gibt und der Nutzen der Weiterführung der Therapie die zu erwartenden Risiken durch die möglichen Gerätemängel überwiegt.

- Bei einem Weiterbetrieb betroffener Geräte ein Verzicht auf ozonhaltige Reinigungsprodukte und Verwendung von in der Gebrauchsanweisung des Geräts aufgeführten Reinigungsmethoden, die zugelassen sind.

- Wenn es für eine notwendige Beatmung keine Alternativen zum Weiterbetrieb eines betroffenen Ventilators gibt, soll ein Inline-Bakterienfilter verwendet werden.

- Registrieren auf der Seite Home | Philips Recall (expertinquiry.com), um aktuelle Hinweise zum Status der Sicherheitsmitteilung und zu den vom Hersteller vorgesehenen Korrekturmaßnahmen zu erhalten. Philips Respironics hat zwei übersichtliche Tabellen zum einen mit betroffenen CPAP- bzw. BiLevel-PAP-Geräten und zum anderen mit betroffenen mechanischen Ventilatoren erstellt.

Das Unternehmen hat zudem bereits damit begonnen, den ursprünglich verbauten akustischen Dämmstoff durch ein anderes Material zu ersetzen, welches das bisherige Problem nicht aufweist. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es Philips nicht möglich, neue Patienten mit den betroffenen Geräten auszustatten. Wegen eines Lieferstopps können zudem derzeit betroffene CPAP-Geräte definitiv nicht ausgetauscht werden.

In einem Kapitel mit Fragen und Antworten lobt der Hersteller zunächst sein robustes Qualitätsmanagementsystem. Dann geht er auf Einhaltung der Normen ein: Er hat seine Produkte in Übereinstimmung mit den entsprechenden Normen bei der Freigabe entwickelt. Obwohl die Normen aktualisiert wurden, entsprechen die nach der vorangegangenen Norm entwickelten Produkte nach Angaben des Herstellers weiterhin den Vorschriften für Medizinprodukte: „Philips hat bei der Vermarktung seiner Produkte die einschlägigen Normen vollumfänglich erfüllt.“  

Für nähere Informationen muss auf die von Philips eingerichtete Seite mit umfangreichen Informationen und Hinweisen verwiesen werden:

Aktualisierung von Sleep and Respiratory Care | Philips

 

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von Wolfgang Menke

Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) im Gesetzblatt

Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) wird durch die neue Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) ersetzt. Ihre amtliche Fassung ist am 27. April im Bundesgesetzblatt erschienen und damit etwa vier Wochen vor ihrem Geltungsbeginn am 26. Mai 2021. Unser Fachautor Wolfgang Menke hat die für Anwender und Betreiber sowie Hersteller und Händler wesentlichen Neuregelungen zur Meldung und Bewertung von „mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen“ beschrieben und erläutert.  

Die neue Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) regelt schon ab dem 26. Mai 2021 die Vorkommnis-Meldungen für Medizinprodukte. Die Sicherheitsplanverordnung bleibt aber bis zum Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR) am 26. Mai 2022 weiter für IVD wirksam.

MPAMIV regelt Meldeverfahren und Informationsaustausch

Wie ihre Bezeichnung in der Langfassung „Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden“ bereits ausführt, regelt die Verordnung zwei inhaltliche Bereiche: Der Abschnitt 1 „Anwendungsbereich; Meldeverfahren“ behandelt in den Paragraphen 1 bis 7 die „Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen“, der Abschnitt 2 in den Paragraphen 8 bis 14 „Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden“.

Definition „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“

Zur Meldeverpflichtung sollen nach der Begriffsbestimmung in § 2 MPAMIV nicht nur Vorkommnisse führen, bei denen eine Fehlfunktion oder eine Verschlechterung der Eigenschaften oder der Leistung eines Produktes festgestellt werden, sondern bereits auch solche, bei denen eine Fehlfunktion oder eine Verschlechterung „mutmaßlich“ vorliegen. Für eine Meldepflicht soll es demnach genügen, wenn bestimmte Anzeichen für das Vorliegen eines „schwerwiegenden Vorkommnisses“ sprechen.

Der Ausdruck „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“ geht inhaltlich über die Begriffsbestimmung des „schwerwiegenden Vorkommnisses“ hinaus (vgl. Artikel 2 Nummer 65 der Verordnung (EU) 2017/745 und Artikel 2 Nummer 68 der Verordnung (EU) 2017/746). „Schwerwiegende Vorkommnisse“ sind eine Teilmenge des inhaltlich deutlich weiter gefassten Begriffes „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“. Zu der Verwendung dieses gegenüber MDR und IVDR erweiterten Begriffs wird in der Begründung zum Verordnungsentwurf folgendes ausgeführt: „Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein nach dieser Verordnung Meldepflichtiger über die erforderliche Fachkompetenz verfügt, ein schwerwiegendes Vorkommnis eindeutig festzustellen.“ Die gewählte Form der Darstellung soll der besseren Verständlichkeit für die Meldepflichtigen dienen.

„Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person“

Beim Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person, der direkt oder indirekt auf der Verwendung eines Medizinproduktes beruht, soll ein „mutmaßlich schwerwiegendes Vorkommnis“ vorliegen.

„Schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands“

Eine „schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands“ soll vorliegen, wenn in Anlehnung an MDR und IVDR bei einem Patienten, Anwender oder einer anderen Person eine der nachstehenden Folgen eingetreten sind:

- lebensbedrohliche Erkrankung oder Verletzung,

- bleibender Körperschaden oder dauerhafte Beeinträchtigung einer Körperfunktion,

- stationäre Behandlung oder Verlängerung der stationären Behandlung des Patienten,

- medizinische oder chirurgische Intervention zur Verhinderung einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung oder eines bleibenden Körperschadens oder einer dauerhaften Beeinträchtigung einer Körperfunktion,

- chronische Erkrankung,

- Fötale Gefährdung, Tod des Fötus oder kongenitale körperliche oder geistige Beeinträchtigungen oder Geburtsfehler.

„Schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit“

Der Begriff „schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ bezeichnet nach MDR (Artikel 2 Nummer 66) und IVDR (Artikel 2 Nummer 69) ein Ereignis, welches das unmittelbare Risiko des Todes, einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder einer schweren Erkrankung, die sofortige Abhilfemaßnahmen erfordert, bergen könnte. Ein solches Ereignis kann zudem eine signifikante Morbidität oder Mortalität bei Menschen verursachen oder ist für einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit ungewöhnlich oder unerwartet.

Meldepflicht nach § 3 MPAMIV:

Gewerbliche und berufliche Profis müssen melden

Die Meldepflicht für Betreiber und Anwender setzt den in MDR (Artikel 87 Absatz 10) und IVDR (Artikel 82 Absatz 10) festgelegten Auftrag an die Mitgliedstaaten um. Mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse sind der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich zu melden. Das bedeutet im Sinne von § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Dabei sind nicht nur solche Ärzte oder Zahnärzte meldepflichtig, die eine Patientin oder einen Patienten selbst mit einem Produkt versorgt haben, sondern alle, denen in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse bekannt werden. Meldepflichtig können nach Angaben in der Begründung beispielsweise auch Rechtsmediziner und Pathologen sein, wenn ihnen im Rahmen einer Obduktion Vorkommnisse bekannt werden.

Patientenmeldungen nach § 4 MPAMIV:

Patientinnen und Patienten können indirekt oder direkt melden

Patientinnen und Patienten oder ihre Angehörige sollen ihre behandelnden Ärzte oder Zahnärzte über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse informieren. Alternativ können sie auch den Händler kontaktieren, der das Produkt bereitgestellt hat und der zu einer Weitermeldung verpflichtet ist. Ärzte und Händler können in der Regel besser einschätzen als Patienten, ob es sich um ein „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“ handelt, welches der zuständigen Bundesober­behörde mitzuteilen ist. Patientinnen und Patienten können auch direkt an die zuständige Bundesoberbehörde melden. Eine Verpflichtung zur Meldung ist für sie aber nicht vorgesehen.

Hinweise durch die Bundesoberbehörden nach § 5MPAMIV:

Die Bundesoberbehörden informieren auf ihren Internetseiten

Die zuständigen Bundesoberbehörden veröffentlichen jeweils Hinweise zur Übermittlung der Meldungen nach den §§ 3 und 4 Satz 2 auf ihren Internetseiten; die Barrierefreiheit nach § 12a des Behindertengleichstellungsgesetzes ist zu gewährleisten. Die zuständigen Bundesoberbehörden sollen durch geeignete Maßnahmen das Verständnis der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Patientenmeldungen fördern mit dem Ziel der Verbesserung der Mitwirkungsbereitschaft in der Bevölkerung.

Erfassung der Meldungen nach § 6 MPAMIV:

Erfassung über deutsches Informations- und Datenbanksystem

Meldungen über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse müssen nach MDR (und später auch IVDR) zentral erfasst werden. Die Meldungen von Profis müssen zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem erfolgen. Laien haben die Option, Vorkommnisse bei Patientinnen oder Patienten freiwillig ebenfalls über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem zu melden. Ihre Meldungen können aber auch über andere Kommunikationswege erfolgen wie z.B. per Brief oder E-Mail. In solchen Fällen hat die zuständige Bundesoberbehörde sicherzustellen, dass auch diese Meldungen im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem erfasst werden.

Ergänzende Verfahrensregelungen nach § 7MPAMIV:

Komplexes System von Meldungen und Fristen

Der § 7 der MPAMIV regelt die zahlreichen von Herstellern und Behörden einzuhaltenden Formalitäten des Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystems. Insbesondere für die konsequente Beachtung der Meldepflicht ist es nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit von erheblicher Bedeutung, dass das Verfahren der behördlichen Risikobewertung in transparenter Weise abläuft. Dazu gehören eine Bestätigung des Eingangs der Erstmeldung über ein mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis sowie die Unterrichtung der meldepflichtigen bzw. meldenden Personen oder Stellen über den Abschluss und die Ergebnisse der Risikobewertung. Einzelheiten zu den vorgesehenen Meldungen und Fristen für Prüfungen, Begründungen, Bestätigungen und Bewertungen von Bundesoberbehörde und Hersteller können dem Text von § 7 im angehängten Text der Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) entnommen werden.

Fazit

Für die meisten Akteure wie die Anwender und Betreiber sowie die Hersteller und Händler wird sich die zukünftige Handhabung der Vorkommnismeldungen nicht wesentlich von der bisherigen Realität unterscheiden. Änderungen gibt es bei der Definition von Vorkommnissen sowie verschiedenen Zuständigkeiten und Formalitäten der Abwicklung. Erst einmal kann man aber bei einer Zwischenbilanz Entwarnung geben. Nach einer ersten Einschätzung wird von den Akteuren nichts verlangt, was sie zumindest im Prinzip nicht schon kennen. Während für die meisten Hersteller durch die neuen EU-Verordnungen MDR und IVDR der regulatorische Aufwand und die Probleme der Umsetzung deutlich zugenommen haben (teilweise leider sogar wegen unnötiger und unklarer Vorschriften völlig überflüssigerweise), kann für Anwender und Betreiber eher der Grundsatz gelten: „Das MPG geht, die Probleme bleiben“.

 

Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden

(Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung - MPAMIV)

 

Abschnitt 1

Anwendungsbereich; Meldeverfahren

  • 1 Anwendungsbereich
  • 2 Ergänzende Begriffsbestimmungen
  • 3 Meldepflicht
  • 4 Patientenmeldungen
  • 5 Hinweise durch die Bundesoberbehörden
  • 6 Erfassung der Meldungen
  • 7 Ergänzende Verfahrensregelungen

Abschnitt 2

Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden; Veröffentlichung

  • 8 Informationsaustausch zwischen der zuständigen Bundesoberbehörde und den zuständigen Landesbehörden
  • 9 Unterrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit durch die zuständige Bundesoberbehörde
  • 10 Unterrichtung sonstiger Behörden, Organisationen und Stellen
  • 11 Übermittlung personenbezogener Daten
  • 12 Erreichbarkeit der zuständigen Behörden außerhalb der Dienstzeiten
  • 13 Veröffentlichung von Informationen über das Internet
  • 14 Routinesitzungen

 

Abschnitt 1

Anwendungsbereich; Meldeverfahren

§ 1 Anwendungsbereich

1Diese Rechtsverordnung ist anzuwenden auf Produkte im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. 2Für In-vitro-Diagnostika ist bis einschließlich 25. Mai 2022 die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung vom 24. Juni 2002 (BGBl. I S. 2131) in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung anzuwenden.

§ 2 Ergänzende Begriffsbestimmungen

Ergänzend zu Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/745 bezeichnet im Sinne dieser Rechtsverordnung der Ausdruck „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis" ein Vorkommnis, bei dem nicht ausgeschlossen ist, dass es auf einer unerwünschten Nebenwirkung eines Produktes, auf einer Fehlfunktion, einer Verschlechterung der Eigenschaften oder der Leistung eines Produktes, einschließlich Anwendungsfehlern aufgrund ergonomischer Merkmale oder einer Unzulänglichkeit der vom Hersteller bereitgestellten Informationen beruht und das direkt oder indirekt eine der nachstehenden Folgen hatte oder hätte haben können:

  1. den Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person,
  2. die vorübergehende oder dauerhafte schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person oder
  3. eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

§ 3 Meldepflicht

1Wer Produkte beruflich oder gewerblich betreibt oder anwendet, hat dabei aufgetretene mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse unverzüglich der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden. 2Satz 1 gilt entsprechend für Ärzte und Zahnärzte, denen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse bekannt werden.

§ 4 Patientenmeldungen

1Patienten oder deren Angehörige sollen über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse mit Produkten, von denen sie betroffen sind, den behandelnden Arzt oder Zahnarzt oder den Händler, der das Produkt bereitgestellt hat, informieren. 2Sie können mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse auch der zuständigen Bundesoberbehörde direkt melden.

§ 5 Hinweise durch die Bundesoberbehörden

1Die zuständigen Bundesoberbehörden veröffentlichen jeweils Hinweise zur Übermittlung der Meldungen nach den §§ 3 und 4 Satz 2 auf ihren Internetseiten; die Barrierefreiheit nach § 12a des Behindertengleichstellungsgesetzes ist zu gewährleisten. 2Die zuständigen Bundesoberbehörden fördern durch geeignete Maßnahmen das Verständnis der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Patientenmeldungen mit dem Ziel der Verbesserung der Mitwirkungsbereitschaft in der Bevölkerung.

§ 6 Erfassung der Meldungen

(1) 1Die Meldungen nach § 3 erfolgen zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes. 2Die Meldungen nach § 4 Satz 2 können zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfolgen.

(2) Sofern die Meldungen nach § 4 Satz 2 nicht über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfolgt sind, stellt die zuständige Bundesoberbehörde sicher, dass die Meldungen nach § 4 Satz 2 im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfasst werden.

§ 7 Ergänzende Verfahrensregelungen

(1) Die zuständige Bundesoberbehörde bestätigt den nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen den Eingang der Meldung.

(2) Unabhängig von der unverzüglichen Einleitung des Verfahrens nach Artikel 87 Absatz 11 der Verordnung (EU) 2017/745 prüft die zuständige Bundesoberbehörde, ob unmittelbarer Handlungsbedarf zur Gefahrenabwehr besteht. 

(3) 1Eine nach Artikel 87 Absatz 11 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) 2017/745 notwendige Begründung wird vom Hersteller über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes innerhalb von 15 Tagen vorgelegt. 2Die zuständige Bundesoberbehörde teilt dem Hersteller innerhalb von zehn Tagen mit, ob sie mit seiner Begründung übereinstimmt oder verlangt eine Meldung nach Artikel 87 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/745.

(4) Sofern die zuständige Bundesoberbehörde mit der nach Absatz 3 Satz 1 vom Hersteller vorgelegten Begründung übereinstimmt, informiert sie die nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen darüber und teilt diesen die Begründung des Herstellers mit.

(5) Nach Eingang der nach Absatz 3 Satz 2 von der zuständigen Bundesoberbehörde verlangten Meldung nach Artikel 87 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/745 findet das Verfahren nach den §§ 71 bis 74 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes Anwendung.

(6) 1Die zuständige Bundesoberbehörde teilt das Ergebnis ihrer abschließenden Risikobewertung der nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Person oder Stelle mit. 2Das Ergebnis der abschließenden Risikobewertung nach Satz 1 ist den nach § 4 Satz 2 meldenden Personen soweit erforderlich in laienverständlicher Weise zu übermitteln. 3Die abschließende Risikobewertung beinhaltet, soweit bereits vorhanden, eine Bewertung des Abschlussberichts des Herstellers nach Artikel 89 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/745 oder eine Bewertung der vom Hersteller nach Absatz 3 Satz 1 vorgelegten Begründung. 

Abschnitt 2

Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden; Veröffentlichung

§ 8 Informationsaustausch zwischen der zuständigen Bundesoberbehörde und den zuständigen Landesbehörden

1Über eingehende Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen, mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen, schwerwiegenden Gefahren und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertung, einschließlich angeordneter Maßnahmen, informiert die zuständige Bundesoberbehörde über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes

  1. die für den Sitz des Herstellers oder seines Bevollmächtigten zuständige Behörde und
  2. die für den Ort des schwerwiegenden Vorkommnisses oder mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnisses zuständige Behörde.

2Haben die in Satz 1 Nummer 1 genannten Personen ihren Sitz nicht in Deutschland und ist eine in Deutschland ansässige, vom Hersteller autorisierte Vertriebsorganisation bekannt, erfolgt die Information nach Satz 1 an die für den Sitz der Vertriebsorganisation zuständige Behörde.

§ Unterrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit durch die zuständige Bundesoberbehörde

Die zuständige Bundesoberbehörde informiert das Bundesministerium für Gesundheit unverzüglich über alle eingehenden Meldungen, die schwerwiegende Vorkommnisse mit Todesfolge oder sonstige besonders bedeutsame schwerwiegende Vorkommnisse betreffen.

§ 10 Unterrichtung sonstiger Behörden, Organisationen und Stellen

(1) Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet über eingehende Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen, Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld, schwerwiegenden Gefahren und mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen,

  1. das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie das Bundesamt für Strahlenschutz, soweit Fragen des Schutzes vor ionisierender oder nichtionisierender Strahlung betroffen oder Medizinprodukte betroffen sind, bei deren Herstellung radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlen verwendet werden, und
  2. das Robert Koch-Institut, soweit Produkte betroffen sind, die zu Desinfektionszwecken bestimmt sind. 

(2) 1Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet das Bundesministerium der Verteidigung und die für Benannte Stellen zuständige Behörde über eingehende Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen. 2Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die betroffene Benannte Stelle, sofern diese ihren Sitz im Geltungsbereich dieser Rechtsverordnung hat, über Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen. 3Die Unterrichtung kann auch durch Gewährung des Zugriffs auf Daten erfolgen, die im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes gespeichert sind.

§ 11 Übermittlung personenbezogener Daten

1Beim Informationsaustausch nach § 8 und bei der Unterrichtung nach den §§ 9 und 10 dürfen nur anonymisierte Daten übermittelt werden. 2Soweit dies zur Aufgabenerfüllung der in den §§ 8 bis 10 genannten Stellen erforderlich ist, dürfen abweichend von Satz 1 und unter den in § 86 Absatz 7 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes genannten Voraussetzungen personenbezogene Daten ausnahmsweise in pseudonymisierter Form übermittelt und verarbeitet werden.

§ 12 Erreichbarkeit der zuständigen Behörden außerhalb der Dienstzeiten

(1) Die zuständigen Bundesoberbehörden machen unter Angabe ihrer Zuständigkeitsbereiche, ihrer Postanschriften und der Telekommunikationsnummern die für die Risikoerfassung und -bewertung bei ihnen zuständigen Organisationseinheiten sowie Hinweise zu deren Erreichbarkeit außerhalb der üblichen Dienstzeiten auf ihren Internetseiten bekannt. 

(2) 1Die zuständigen Behörden teilen die Angaben zur Erreichbarkeit außerhalb der üblichen Dienstzeiten den zuständigen Bundesoberbehörden mit. 2Die zuständigen Bundesoberbehörden machen diese Angaben auf ihren Internetseiten bekannt.

§ 13 Veröffentlichung von Informationen über das Internet

1Die zuständige Bundesoberbehörde kann über durchgeführte Sicherheitskorrektur­maßnahmen im Feld, einschließlich der Sicherheitsanweisungen im Feld, sowie über Empfehlungen und Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung nach § 71 Absatz 7 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes auf ihrer Internetseite informieren. 2Die Information erfolgt nach § 12a des Behindertengleichstellungs­gesetzes barrierefrei. 3Die Informationen nach Satz 1 dürfen keine personen­bezogenen Daten enthalten; davon abweichend dürfen Sicherheitsanweisungen im Feld die personenbezogenen Daten enthalten, die der Hersteller nach Artikel 89 Absatz 8 der Verordnung (EU) 2017/745 bereitstellt.

§ 14 Routinesitzungen

1Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut regelmäßige Besprechungen (Routinesitzungen) über die Grundlagen und das Verfahren der Risikoerfassung und -bewertung sowie über Fälle von allgemeinem Interesse durch. 2Bei Abstimmungsbedarf zu speziellen Fragen soll die zuständige Bundesoberbehörde zu einer Sondersitzung einladen. 3Die Gelegenheit zur Teilnahme an den Routinesitzungen erhalten die für Medizinprodukte zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden sowie die für Benannte Stellen zuständige Behörde. 4Soweit erforderlich können der Medizinische Dienst Bund, Vertreter der Heilberufe und der Krankenhäuser, die Verbände der Medizinprodukte-Industrie sowie sonstige betroffene Behörden und Organisationen beteiligt werden.

Geltung ab 26.05.2021

Quelle:

Artikel 1 der Medizinprodukte-EU-Anpassungsverordnung (MPEUAnpV) vom 21. April 2021

Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2021 Teil I Nr. 19, ausgegeben in Bonn am 27. April 2021, Seiten 833 - 841

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von Rudi Wuttke

Bundestag ändert Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz

Der Bundestag hat am 15. April 2021 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Änderung des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes“ (Drucksache 26942) in zweiter und dritter Beratung behandelt und diesen in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (Drucksache 19/28517) angenommen.

CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen stimmten für den Entwurf; die AfD, die FDP und die Linksfraktion sahen das Gesetz grundsätzlich zwar als notwendig und richtig an, enthielten sich aber wegen abweichender Vorstellungen bei der Regelung von Details.

Durch das Gesetz werden Anpassungen im Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) und weiteren Gesetzen vorgenommen, die aufgrund der coronabedingten Verschiebung des Geltungsbeginns der EU-Verordnung 2017 / 745 über Medizinprodukte vom 26. Mai 2020 auf den 26. Mai 2021 notwendig geworden sind.

Die jetzt beschlossenen Änderungen betreffen neben Übergangsvorschriften vor allem

- eine Neufassung der Meldepflichten des Prüfers oder Hauptprüfers an den Sponsor einer klinischen Prüfung. Danach erfolgt eine zeitliche Differenzierung, welche unerwünschten Ereignisse unverzüglich und welche nach den zeitlichen Vorgaben des Prüfplans zu melden sind (§ 63 MPDG - neu -)

- detaillierte Verfahrungsregelungen für die Risikobewertung von Medizinprodukten im Eigentum der Patienten, wie insbesondere Implantate. Deren Abgabe an den Hersteller oder die zuständige Bundesoberbehörde erfordert eine vorherige Zustimmung des Patienten oder seines Vertreters. Wenn eine zerstörende Untersuchung erforderlich ist, muss eine Fotodokumentation erstellt werden. Diese ist dem betroffenen Patienten auf Nachfrage zusammen mit einer Kopie des Untersuchungsberichts auszuhändigen (§ 72 Abs. 6 MPDG - neu -) sowie

- eine Erweiterung der Marktüberwachung auf über das Internet oder über eine andere Form des Fernabsatzes zum Verkauf angebotene Produkte nach Artikel 6 der Verordnung (EU) 2017/745 (§ 85 Abs. 1b MPDG - neu -).

Änderungsforderung des Bundesrates wurde berücksichtigt:

Zertifizierung von Gesundheitseinrichtungen und Aufbereitern

In seiner 1000. Sitzung am 12. Februar 2021 hatte der Bundesrat als Länderkammer bereits eine Änderungsforderung zu dem Gesetzentwurf beschlossen (Drucksache 19/26942, Anlage 3), die Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen für die nationale Anerkennung und Überwachung von Benannten Stellen für die Zertifizierung von Gesundheitseinrichtungen und externen Aufbereitern von Medizinprodukten vorsieht. Dieser Vorschlag fand Zustimmung und Aufnahme in das MPDG (§§ 17b und 17c MPDG - neu -).

Die Aussprache von 30 Minuten am 15. April 2021 ist als Video auf der Internetseite des Bundestages nachverfolgbar und auch im Protokoll der 221. Plenarsitzung nachlesbar (Seiten 28001 bis 28007). BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben dem Gesetzentwurf zugestimmt, auch wenn sie „noch Verbesserungsbedarf sehen, insbesondere eine verpflichtende Haftpflicht für Anwender, Betreiber und Hersteller von Medizinprodukten“, so ihre Abgeordnete Kordula Schulz-Asche. Nach ihrer Auffassung ist „auch bei den zertifizierten Benannten Stellen noch viel Luft nach oben“.

Warum AfD, FDP und Linksfraktion Vorbehalte hatten

Nach Ansicht der AfD „lässt der Entwurf bei der Umsetzbarkeit und leider auch der Patientensicherheit Fragen offen, wo es um die Einwilligung beim direkten Patientenkontakt geht oder um Fälle, wo es wegen der Zuständigkeit verschiedener Landesbehörden zu unterschiedlichen Auffassungen kommen könnte“ (Dr. Robby Schlund). Nach Meinung der FDP hat die Anhörung bei zwei Punkten Nachbesserungsbedarf ergeben, dem nicht entsprochen wurde: die Verfahrensordnung bei Medizinprodukten im Eigentum des Patienten, die auf mögliche Risiken geprüft werden sollen und die Überwachung des Marktangebots von Medizinprodukten aus Drittstaaten im Internet. Hier sieht das Gesetz eine Überwachung durch die Länder vor, während die FDP eine bundeseinheitliche Regelung vorgezogen hätte, so der Abgeordnete Dr. Wieland Schinnenburg.

Es hätte „die Gelegenheit gegeben, das Gesetz zu nutzen, um die vielen Baustellen, die es im Medizinprodukterecht noch gibt, anzupacken“, monierte Harald Weinberg von der Fraktion „Die Linke“. „Da haben wir aber in der gesamten Diskussion um die Nutzen-Risiko-Bewertung vor allen Dingen von Medizinprodukten höherer Risikoklassen in der EU erlebt, dass die Bundesregierung eher auf der Bremse als auf dem Gas steht. Eine Zulassung durch eine Behörde vergleichbar der FDA in den Vereinigten Staaten gibt es nicht, nicht einmal für Hochrisikoprodukte“, so der Abgeordnete weiter.

Zwei weitere im Rahmen die Aussprache behandelte Anträge fanden bei der Abstimmung keine Mehrheit:

- Anpassungen der Coronavirus-Teststrategie für das Jahr 2021 (Fraktion der FDP, Drucksache 19/26189) und

- Kapazitäten für Schnelltests massiv ausbauen, Selbstanwendung erlauben und Public-Health-Screenings ermöglichen (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 19/25705, Quelle: Bundestagsmaterialien).

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