Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) mit neuen Erkenntnissen
- Hohes Übergewicht erhöht Risiko für Infektion nach Hüft-Erstimplantation
- Patienten über 75 Jahre profitieren von Hüftschaft-Zementierung
- Mögliche Probleme durch sog. Mismatch werden systematisch adressiert
Kürzlich hat das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) seinen Jahresbericht veröffentlicht. Dieser befasst sich u.a. mit periprothetischen Infektionen und und sog. Mismatch von Prothesenteilen sowie deren Verhinderung. Im Jahr 2020 hat das EPRD mehr als 290.000 endoprothetische Eingriffe an Hüften und Knien erfasst – 2019 waren es noch über 318.000. Dies entspricht einem Rückgang von ca. neun Prozent.
Hohes Übergewicht ist ein entscheidender Risikofaktor für Infektionen nach elektiven Hüft-Erstimplantationen
Infektionen zählen mit rund 15 Prozent zu den am häufigsten genannten Wechselgründen an Hüften und Knien. Insbesondere im Zeitraum bis zu zwei Jahre nach der Erstimplantation ist die periprothetische Infektion Grund – je nach Versorgungsform – für bis zu 50 Prozent der Wechseleingriffe. Als eine wesentliche Einflussgröße für das Infektionsrisiko erweist sich dabei hohes Übergewicht der Patienten. Dieser Zusammenhang ist deutlich bei Patienten zu erkennen, die eine elektive Hüfttotalendoprothese mit zementfreiem Schaft erhalten haben: Patienten mit einem BMI unter 30 haben ein Risiko von unter einem Prozent, eine Infektion zu erleiden. Bei Patienten mit einem BMI zwischen 35 und 40 ist dieses Risiko mehr als doppelt so hoch.
Bei Patienten ab 75 Jahren ist eine Zementierung der Hüftschäfte ratsam
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 147.739 Hüft-Erstimplantationen an das EPRD gemeldet. Bei den Hüftersteingriffen werden in mehr als 88 Prozent der Fälle Hüfttotalendoprothesen implantiert, Hüftteilendoprothesen nur in rund 11 Prozent der Fälle.
Bei den Hüfttotalendoprothesen werden knapp 78 Prozent unzementiert in den Körper der Patienten eingesetzt. Der Anteil der Versorgungen, bei denen sowohl Hüftschaft als auch -pfanne zementiert implantiert wurden, lag 2014 noch bei rund acht Prozent, 2020 waren es nur noch gut vier Prozent. Die Verankerung der Hüfttotalendoprothese ohne Zement stellt inzwischen also eine Standardbehandlung für das Gros der Patienten dar. Auswertungen des EPRD wie auch internationale Studien zeigen allerdings: Bei älteren Menschen muss offenbar umgedacht werden. Die Wahrscheinlichkeit eines Implantatausfalls ist bei Menschen über 75 Jahren deutlich erhöht, wenn der Schaft nicht zementiert wird.
Risikomanagement: Mismatch-Identifikation durch das EPRD
Von einem sogenannten Mismatch ist die Rede, wenn Prothesenteile eines Implantats in der Kombination nicht zusammenpassen. Diese Fälle sind selten. Während solche Kombinationen in einzelnen Revisionsfällen vom Operateur bewusst aus medizinischen Gründen gewählt werden, sind sie bei Erstimplantationen nicht notwendig und können für den Patienten gravierende Folgen nach sich ziehen.
Derzeit geht das EPRD davon aus, dass im vergangenen Jahr bei einer dreistelligen Zahl von dokumentierten Primärversorgungen ein Komponenten-Mismatch oder zumindest eine deutliche Abweichung von den Herstellervorgaben vorlag. Solche Abweichungen können hier nur in einer beispielhaften Übersicht aufgeführt werden, für Einzelheiten muss auf den EPRD-Jahresbericht 2021 verwiesen werden (Seiten 170 bis 172):
- Bei 52 Versorgungen wich die Größe des Kopfes der Hüfttotalendoprothese vom Innendurchmesser des Inserts bzw. der Pfanne ab.
- Die Konen von Hüftschaft und -kopf passten in drei Fällen nicht zusammen. Bei zwei der Fälle stammten die Schaft- und die Kopfkomponente von verschiedenen Herstellern. Ein Konus-Mismatch führt bei Metallköpfen immer zu einer erhöhten Freisetzung von Metallionen, bei Keramikköpfen zu einer Erhöhung der Bruchgefahr.
- Bei 476 Knietotalendoprothesen wurden Komponenten dokumentiert, die für eine bestimmte Körperseite vorgesehen sind, der Eingriff aber für das contra-laterale Knie im Register dokumentiert. Das EPRD geht davon aus, dass es sich in den meisten dieser Fälle nicht um wirkliches Mismatch, sondern lediglich um eine falsche Seitenangabe bei der Dokumentation handelt.
- Bei 16 unikondylären Versorgungen wurden Komponenten, die laut Hersteller ausschließlich für die Verwendung auf der Knieinnenseite bestimmt sind, mit Komponenten, die nur für die Knieaußenseite zugelassen sind, kombiniert.
Um Mismatch künftig weitmöglichst auszuschließen, hat das Endoprothesenregister Deutschland ein System etabliert, um Kliniken so zeitnah wie möglich über Probleme bei der Komponentenwahl zu informieren. Dies erfolgt zum einen durch einen Warnhinweis in der Erfassungssoftware; zum anderen erhalten die Kliniken monatlich einen Bericht über etwaige Probleme aus den Dokumentationen des Vormonats. Ermöglicht wird dieses Risikomanagement-Instrument durch die Produktdatenbank des EPRD. Seit der Inbetriebnahme des EPRD 2012 speisen die Implantathersteller die Datenbank mit detaillierten Informationen zu Produkteigenschaften und Funktionalitäten ihrer Artikel. Die Datenbank umfasst derzeit etwa 67.000 Einzelartikel und ist in ihrer Granularität und ihren Klassifikationsmerkmalen weltweit einzigartig.
Weitere Informationen: EPRD-Jahresbericht 2021
https://www.eprd.de/fileadmin/user_upload/Dateien/Publikationen/Berichte/Jahresbericht2021_2021-10-25_F.pdf
Hintergrundinformationen zum Endoprothesenregister Deutschland:
Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) ist ein freiwilliges Register. Ziel ist die Qualitätsmessung und -darstellung der endoprothetischen Versorgung in Deutschland. Das EPRD wurde 2010 auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC) gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband GbR, dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) sowie dem Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) aufgebaut. Betreiber des EPRD ist die gemeinnützige EPRD Deutsche Endoprothesenregister gGmbH, eine hundertprozentige Tochter der DGOOC. Mit mehr als 1,9 Millionen erfassten Dokumentationen ist das EPRD das zweitgrößte endoprothetische Register Europas.