Nachrichten April 2021

von Wolfgang Menke

Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) im Gesetzblatt

Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) wird durch die neue Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) ersetzt. Ihre amtliche Fassung ist am 27. April im Bundesgesetzblatt erschienen und damit etwa vier Wochen vor ihrem Geltungsbeginn am 26. Mai 2021. Unser Fachautor Wolfgang Menke hat die für Anwender und Betreiber sowie Hersteller und Händler wesentlichen Neuregelungen zur Meldung und Bewertung von „mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen“ beschrieben und erläutert.  

Die neue Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) regelt schon ab dem 26. Mai 2021 die Vorkommnis-Meldungen für Medizinprodukte. Die Sicherheitsplanverordnung bleibt aber bis zum Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR) am 26. Mai 2022 weiter für IVD wirksam.

MPAMIV regelt Meldeverfahren und Informationsaustausch

Wie ihre Bezeichnung in der Langfassung „Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden“ bereits ausführt, regelt die Verordnung zwei inhaltliche Bereiche: Der Abschnitt 1 „Anwendungsbereich; Meldeverfahren“ behandelt in den Paragraphen 1 bis 7 die „Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen“, der Abschnitt 2 in den Paragraphen 8 bis 14 „Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden“.

Definition „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“

Zur Meldeverpflichtung sollen nach der Begriffsbestimmung in § 2 MPAMIV nicht nur Vorkommnisse führen, bei denen eine Fehlfunktion oder eine Verschlechterung der Eigenschaften oder der Leistung eines Produktes festgestellt werden, sondern bereits auch solche, bei denen eine Fehlfunktion oder eine Verschlechterung „mutmaßlich“ vorliegen. Für eine Meldepflicht soll es demnach genügen, wenn bestimmte Anzeichen für das Vorliegen eines „schwerwiegenden Vorkommnisses“ sprechen.

Der Ausdruck „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“ geht inhaltlich über die Begriffsbestimmung des „schwerwiegenden Vorkommnisses“ hinaus (vgl. Artikel 2 Nummer 65 der Verordnung (EU) 2017/745 und Artikel 2 Nummer 68 der Verordnung (EU) 2017/746). „Schwerwiegende Vorkommnisse“ sind eine Teilmenge des inhaltlich deutlich weiter gefassten Begriffes „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“. Zu der Verwendung dieses gegenüber MDR und IVDR erweiterten Begriffs wird in der Begründung zum Verordnungsentwurf folgendes ausgeführt: „Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein nach dieser Verordnung Meldepflichtiger über die erforderliche Fachkompetenz verfügt, ein schwerwiegendes Vorkommnis eindeutig festzustellen.“ Die gewählte Form der Darstellung soll der besseren Verständlichkeit für die Meldepflichtigen dienen.

„Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person“

Beim Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person, der direkt oder indirekt auf der Verwendung eines Medizinproduktes beruht, soll ein „mutmaßlich schwerwiegendes Vorkommnis“ vorliegen.

„Schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands“

Eine „schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands“ soll vorliegen, wenn in Anlehnung an MDR und IVDR bei einem Patienten, Anwender oder einer anderen Person eine der nachstehenden Folgen eingetreten sind:

- lebensbedrohliche Erkrankung oder Verletzung,

- bleibender Körperschaden oder dauerhafte Beeinträchtigung einer Körperfunktion,

- stationäre Behandlung oder Verlängerung der stationären Behandlung des Patienten,

- medizinische oder chirurgische Intervention zur Verhinderung einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung oder eines bleibenden Körperschadens oder einer dauerhaften Beeinträchtigung einer Körperfunktion,

- chronische Erkrankung,

- Fötale Gefährdung, Tod des Fötus oder kongenitale körperliche oder geistige Beeinträchtigungen oder Geburtsfehler.

„Schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit“

Der Begriff „schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ bezeichnet nach MDR (Artikel 2 Nummer 66) und IVDR (Artikel 2 Nummer 69) ein Ereignis, welches das unmittelbare Risiko des Todes, einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder einer schweren Erkrankung, die sofortige Abhilfemaßnahmen erfordert, bergen könnte. Ein solches Ereignis kann zudem eine signifikante Morbidität oder Mortalität bei Menschen verursachen oder ist für einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit ungewöhnlich oder unerwartet.

Meldepflicht nach § 3 MPAMIV:

Gewerbliche und berufliche Profis müssen melden

Die Meldepflicht für Betreiber und Anwender setzt den in MDR (Artikel 87 Absatz 10) und IVDR (Artikel 82 Absatz 10) festgelegten Auftrag an die Mitgliedstaaten um. Mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse sind der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich zu melden. Das bedeutet im Sinne von § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Dabei sind nicht nur solche Ärzte oder Zahnärzte meldepflichtig, die eine Patientin oder einen Patienten selbst mit einem Produkt versorgt haben, sondern alle, denen in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse bekannt werden. Meldepflichtig können nach Angaben in der Begründung beispielsweise auch Rechtsmediziner und Pathologen sein, wenn ihnen im Rahmen einer Obduktion Vorkommnisse bekannt werden.

Patientenmeldungen nach § 4 MPAMIV:

Patientinnen und Patienten können indirekt oder direkt melden

Patientinnen und Patienten oder ihre Angehörige sollen ihre behandelnden Ärzte oder Zahnärzte über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse informieren. Alternativ können sie auch den Händler kontaktieren, der das Produkt bereitgestellt hat und der zu einer Weitermeldung verpflichtet ist. Ärzte und Händler können in der Regel besser einschätzen als Patienten, ob es sich um ein „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“ handelt, welches der zuständigen Bundesober­behörde mitzuteilen ist. Patientinnen und Patienten können auch direkt an die zuständige Bundesoberbehörde melden. Eine Verpflichtung zur Meldung ist für sie aber nicht vorgesehen.

Hinweise durch die Bundesoberbehörden nach § 5MPAMIV:

Die Bundesoberbehörden informieren auf ihren Internetseiten

Die zuständigen Bundesoberbehörden veröffentlichen jeweils Hinweise zur Übermittlung der Meldungen nach den §§ 3 und 4 Satz 2 auf ihren Internetseiten; die Barrierefreiheit nach § 12a des Behindertengleichstellungsgesetzes ist zu gewährleisten. Die zuständigen Bundesoberbehörden sollen durch geeignete Maßnahmen das Verständnis der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Patientenmeldungen fördern mit dem Ziel der Verbesserung der Mitwirkungsbereitschaft in der Bevölkerung.

Erfassung der Meldungen nach § 6 MPAMIV:

Erfassung über deutsches Informations- und Datenbanksystem

Meldungen über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse müssen nach MDR (und später auch IVDR) zentral erfasst werden. Die Meldungen von Profis müssen zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem erfolgen. Laien haben die Option, Vorkommnisse bei Patientinnen oder Patienten freiwillig ebenfalls über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem zu melden. Ihre Meldungen können aber auch über andere Kommunikationswege erfolgen wie z.B. per Brief oder E-Mail. In solchen Fällen hat die zuständige Bundesoberbehörde sicherzustellen, dass auch diese Meldungen im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem erfasst werden.

Ergänzende Verfahrensregelungen nach § 7MPAMIV:

Komplexes System von Meldungen und Fristen

Der § 7 der MPAMIV regelt die zahlreichen von Herstellern und Behörden einzuhaltenden Formalitäten des Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystems. Insbesondere für die konsequente Beachtung der Meldepflicht ist es nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit von erheblicher Bedeutung, dass das Verfahren der behördlichen Risikobewertung in transparenter Weise abläuft. Dazu gehören eine Bestätigung des Eingangs der Erstmeldung über ein mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis sowie die Unterrichtung der meldepflichtigen bzw. meldenden Personen oder Stellen über den Abschluss und die Ergebnisse der Risikobewertung. Einzelheiten zu den vorgesehenen Meldungen und Fristen für Prüfungen, Begründungen, Bestätigungen und Bewertungen von Bundesoberbehörde und Hersteller können dem Text von § 7 im angehängten Text der Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) entnommen werden.

Fazit

Für die meisten Akteure wie die Anwender und Betreiber sowie die Hersteller und Händler wird sich die zukünftige Handhabung der Vorkommnismeldungen nicht wesentlich von der bisherigen Realität unterscheiden. Änderungen gibt es bei der Definition von Vorkommnissen sowie verschiedenen Zuständigkeiten und Formalitäten der Abwicklung. Erst einmal kann man aber bei einer Zwischenbilanz Entwarnung geben. Nach einer ersten Einschätzung wird von den Akteuren nichts verlangt, was sie zumindest im Prinzip nicht schon kennen. Während für die meisten Hersteller durch die neuen EU-Verordnungen MDR und IVDR der regulatorische Aufwand und die Probleme der Umsetzung deutlich zugenommen haben (teilweise leider sogar wegen unnötiger und unklarer Vorschriften völlig überflüssigerweise), kann für Anwender und Betreiber eher der Grundsatz gelten: „Das MPG geht, die Probleme bleiben“.

 

Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden

(Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung - MPAMIV)

 

Abschnitt 1

Anwendungsbereich; Meldeverfahren

  • 1 Anwendungsbereich
  • 2 Ergänzende Begriffsbestimmungen
  • 3 Meldepflicht
  • 4 Patientenmeldungen
  • 5 Hinweise durch die Bundesoberbehörden
  • 6 Erfassung der Meldungen
  • 7 Ergänzende Verfahrensregelungen

Abschnitt 2

Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden; Veröffentlichung

  • 8 Informationsaustausch zwischen der zuständigen Bundesoberbehörde und den zuständigen Landesbehörden
  • 9 Unterrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit durch die zuständige Bundesoberbehörde
  • 10 Unterrichtung sonstiger Behörden, Organisationen und Stellen
  • 11 Übermittlung personenbezogener Daten
  • 12 Erreichbarkeit der zuständigen Behörden außerhalb der Dienstzeiten
  • 13 Veröffentlichung von Informationen über das Internet
  • 14 Routinesitzungen

 

Abschnitt 1

Anwendungsbereich; Meldeverfahren

§ 1 Anwendungsbereich

1Diese Rechtsverordnung ist anzuwenden auf Produkte im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. 2Für In-vitro-Diagnostika ist bis einschließlich 25. Mai 2022 die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung vom 24. Juni 2002 (BGBl. I S. 2131) in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung anzuwenden.

§ 2 Ergänzende Begriffsbestimmungen

Ergänzend zu Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/745 bezeichnet im Sinne dieser Rechtsverordnung der Ausdruck „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis" ein Vorkommnis, bei dem nicht ausgeschlossen ist, dass es auf einer unerwünschten Nebenwirkung eines Produktes, auf einer Fehlfunktion, einer Verschlechterung der Eigenschaften oder der Leistung eines Produktes, einschließlich Anwendungsfehlern aufgrund ergonomischer Merkmale oder einer Unzulänglichkeit der vom Hersteller bereitgestellten Informationen beruht und das direkt oder indirekt eine der nachstehenden Folgen hatte oder hätte haben können:

  1. den Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person,
  2. die vorübergehende oder dauerhafte schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person oder
  3. eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

§ 3 Meldepflicht

1Wer Produkte beruflich oder gewerblich betreibt oder anwendet, hat dabei aufgetretene mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse unverzüglich der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden. 2Satz 1 gilt entsprechend für Ärzte und Zahnärzte, denen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse bekannt werden.

§ 4 Patientenmeldungen

1Patienten oder deren Angehörige sollen über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse mit Produkten, von denen sie betroffen sind, den behandelnden Arzt oder Zahnarzt oder den Händler, der das Produkt bereitgestellt hat, informieren. 2Sie können mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse auch der zuständigen Bundesoberbehörde direkt melden.

§ 5 Hinweise durch die Bundesoberbehörden

1Die zuständigen Bundesoberbehörden veröffentlichen jeweils Hinweise zur Übermittlung der Meldungen nach den §§ 3 und 4 Satz 2 auf ihren Internetseiten; die Barrierefreiheit nach § 12a des Behindertengleichstellungsgesetzes ist zu gewährleisten. 2Die zuständigen Bundesoberbehörden fördern durch geeignete Maßnahmen das Verständnis der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Patientenmeldungen mit dem Ziel der Verbesserung der Mitwirkungsbereitschaft in der Bevölkerung.

§ 6 Erfassung der Meldungen

(1) 1Die Meldungen nach § 3 erfolgen zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes. 2Die Meldungen nach § 4 Satz 2 können zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfolgen.

(2) Sofern die Meldungen nach § 4 Satz 2 nicht über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfolgt sind, stellt die zuständige Bundesoberbehörde sicher, dass die Meldungen nach § 4 Satz 2 im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfasst werden.

§ 7 Ergänzende Verfahrensregelungen

(1) Die zuständige Bundesoberbehörde bestätigt den nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen den Eingang der Meldung.

(2) Unabhängig von der unverzüglichen Einleitung des Verfahrens nach Artikel 87 Absatz 11 der Verordnung (EU) 2017/745 prüft die zuständige Bundesoberbehörde, ob unmittelbarer Handlungsbedarf zur Gefahrenabwehr besteht. 

(3) 1Eine nach Artikel 87 Absatz 11 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) 2017/745 notwendige Begründung wird vom Hersteller über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes innerhalb von 15 Tagen vorgelegt. 2Die zuständige Bundesoberbehörde teilt dem Hersteller innerhalb von zehn Tagen mit, ob sie mit seiner Begründung übereinstimmt oder verlangt eine Meldung nach Artikel 87 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/745.

(4) Sofern die zuständige Bundesoberbehörde mit der nach Absatz 3 Satz 1 vom Hersteller vorgelegten Begründung übereinstimmt, informiert sie die nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen darüber und teilt diesen die Begründung des Herstellers mit.

(5) Nach Eingang der nach Absatz 3 Satz 2 von der zuständigen Bundesoberbehörde verlangten Meldung nach Artikel 87 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/745 findet das Verfahren nach den §§ 71 bis 74 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes Anwendung.

(6) 1Die zuständige Bundesoberbehörde teilt das Ergebnis ihrer abschließenden Risikobewertung der nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Person oder Stelle mit. 2Das Ergebnis der abschließenden Risikobewertung nach Satz 1 ist den nach § 4 Satz 2 meldenden Personen soweit erforderlich in laienverständlicher Weise zu übermitteln. 3Die abschließende Risikobewertung beinhaltet, soweit bereits vorhanden, eine Bewertung des Abschlussberichts des Herstellers nach Artikel 89 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/745 oder eine Bewertung der vom Hersteller nach Absatz 3 Satz 1 vorgelegten Begründung. 

Abschnitt 2

Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden; Veröffentlichung

§ 8 Informationsaustausch zwischen der zuständigen Bundesoberbehörde und den zuständigen Landesbehörden

1Über eingehende Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen, mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen, schwerwiegenden Gefahren und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertung, einschließlich angeordneter Maßnahmen, informiert die zuständige Bundesoberbehörde über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes

  1. die für den Sitz des Herstellers oder seines Bevollmächtigten zuständige Behörde und
  2. die für den Ort des schwerwiegenden Vorkommnisses oder mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnisses zuständige Behörde.

2Haben die in Satz 1 Nummer 1 genannten Personen ihren Sitz nicht in Deutschland und ist eine in Deutschland ansässige, vom Hersteller autorisierte Vertriebsorganisation bekannt, erfolgt die Information nach Satz 1 an die für den Sitz der Vertriebsorganisation zuständige Behörde.

§ Unterrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit durch die zuständige Bundesoberbehörde

Die zuständige Bundesoberbehörde informiert das Bundesministerium für Gesundheit unverzüglich über alle eingehenden Meldungen, die schwerwiegende Vorkommnisse mit Todesfolge oder sonstige besonders bedeutsame schwerwiegende Vorkommnisse betreffen.

§ 10 Unterrichtung sonstiger Behörden, Organisationen und Stellen

(1) Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet über eingehende Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen, Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld, schwerwiegenden Gefahren und mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen,

  1. das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie das Bundesamt für Strahlenschutz, soweit Fragen des Schutzes vor ionisierender oder nichtionisierender Strahlung betroffen oder Medizinprodukte betroffen sind, bei deren Herstellung radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlen verwendet werden, und
  2. das Robert Koch-Institut, soweit Produkte betroffen sind, die zu Desinfektionszwecken bestimmt sind. 

(2) 1Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet das Bundesministerium der Verteidigung und die für Benannte Stellen zuständige Behörde über eingehende Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen. 2Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die betroffene Benannte Stelle, sofern diese ihren Sitz im Geltungsbereich dieser Rechtsverordnung hat, über Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen. 3Die Unterrichtung kann auch durch Gewährung des Zugriffs auf Daten erfolgen, die im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes gespeichert sind.

§ 11 Übermittlung personenbezogener Daten

1Beim Informationsaustausch nach § 8 und bei der Unterrichtung nach den §§ 9 und 10 dürfen nur anonymisierte Daten übermittelt werden. 2Soweit dies zur Aufgabenerfüllung der in den §§ 8 bis 10 genannten Stellen erforderlich ist, dürfen abweichend von Satz 1 und unter den in § 86 Absatz 7 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes genannten Voraussetzungen personenbezogene Daten ausnahmsweise in pseudonymisierter Form übermittelt und verarbeitet werden.

§ 12 Erreichbarkeit der zuständigen Behörden außerhalb der Dienstzeiten

(1) Die zuständigen Bundesoberbehörden machen unter Angabe ihrer Zuständigkeitsbereiche, ihrer Postanschriften und der Telekommunikationsnummern die für die Risikoerfassung und -bewertung bei ihnen zuständigen Organisationseinheiten sowie Hinweise zu deren Erreichbarkeit außerhalb der üblichen Dienstzeiten auf ihren Internetseiten bekannt. 

(2) 1Die zuständigen Behörden teilen die Angaben zur Erreichbarkeit außerhalb der üblichen Dienstzeiten den zuständigen Bundesoberbehörden mit. 2Die zuständigen Bundesoberbehörden machen diese Angaben auf ihren Internetseiten bekannt.

§ 13 Veröffentlichung von Informationen über das Internet

1Die zuständige Bundesoberbehörde kann über durchgeführte Sicherheitskorrektur­maßnahmen im Feld, einschließlich der Sicherheitsanweisungen im Feld, sowie über Empfehlungen und Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung nach § 71 Absatz 7 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes auf ihrer Internetseite informieren. 2Die Information erfolgt nach § 12a des Behindertengleichstellungs­gesetzes barrierefrei. 3Die Informationen nach Satz 1 dürfen keine personen­bezogenen Daten enthalten; davon abweichend dürfen Sicherheitsanweisungen im Feld die personenbezogenen Daten enthalten, die der Hersteller nach Artikel 89 Absatz 8 der Verordnung (EU) 2017/745 bereitstellt.

§ 14 Routinesitzungen

1Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut regelmäßige Besprechungen (Routinesitzungen) über die Grundlagen und das Verfahren der Risikoerfassung und -bewertung sowie über Fälle von allgemeinem Interesse durch. 2Bei Abstimmungsbedarf zu speziellen Fragen soll die zuständige Bundesoberbehörde zu einer Sondersitzung einladen. 3Die Gelegenheit zur Teilnahme an den Routinesitzungen erhalten die für Medizinprodukte zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden sowie die für Benannte Stellen zuständige Behörde. 4Soweit erforderlich können der Medizinische Dienst Bund, Vertreter der Heilberufe und der Krankenhäuser, die Verbände der Medizinprodukte-Industrie sowie sonstige betroffene Behörden und Organisationen beteiligt werden.

Geltung ab 26.05.2021

Quelle:

Artikel 1 der Medizinprodukte-EU-Anpassungsverordnung (MPEUAnpV) vom 21. April 2021

Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2021 Teil I Nr. 19, ausgegeben in Bonn am 27. April 2021, Seiten 833 - 841

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von Rudi Wuttke

Bundestag ändert Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz

Der Bundestag hat am 15. April 2021 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Änderung des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes“ (Drucksache 26942) in zweiter und dritter Beratung behandelt und diesen in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (Drucksache 19/28517) angenommen.

CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen stimmten für den Entwurf; die AfD, die FDP und die Linksfraktion sahen das Gesetz grundsätzlich zwar als notwendig und richtig an, enthielten sich aber wegen abweichender Vorstellungen bei der Regelung von Details.

Durch das Gesetz werden Anpassungen im Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) und weiteren Gesetzen vorgenommen, die aufgrund der coronabedingten Verschiebung des Geltungsbeginns der EU-Verordnung 2017 / 745 über Medizinprodukte vom 26. Mai 2020 auf den 26. Mai 2021 notwendig geworden sind.

Die jetzt beschlossenen Änderungen betreffen neben Übergangsvorschriften vor allem

- eine Neufassung der Meldepflichten des Prüfers oder Hauptprüfers an den Sponsor einer klinischen Prüfung. Danach erfolgt eine zeitliche Differenzierung, welche unerwünschten Ereignisse unverzüglich und welche nach den zeitlichen Vorgaben des Prüfplans zu melden sind (§ 63 MPDG - neu -)

- detaillierte Verfahrungsregelungen für die Risikobewertung von Medizinprodukten im Eigentum der Patienten, wie insbesondere Implantate. Deren Abgabe an den Hersteller oder die zuständige Bundesoberbehörde erfordert eine vorherige Zustimmung des Patienten oder seines Vertreters. Wenn eine zerstörende Untersuchung erforderlich ist, muss eine Fotodokumentation erstellt werden. Diese ist dem betroffenen Patienten auf Nachfrage zusammen mit einer Kopie des Untersuchungsberichts auszuhändigen (§ 72 Abs. 6 MPDG - neu -) sowie

- eine Erweiterung der Marktüberwachung auf über das Internet oder über eine andere Form des Fernabsatzes zum Verkauf angebotene Produkte nach Artikel 6 der Verordnung (EU) 2017/745 (§ 85 Abs. 1b MPDG - neu -).

Änderungsforderung des Bundesrates wurde berücksichtigt:

Zertifizierung von Gesundheitseinrichtungen und Aufbereitern

In seiner 1000. Sitzung am 12. Februar 2021 hatte der Bundesrat als Länderkammer bereits eine Änderungsforderung zu dem Gesetzentwurf beschlossen (Drucksache 19/26942, Anlage 3), die Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen für die nationale Anerkennung und Überwachung von Benannten Stellen für die Zertifizierung von Gesundheitseinrichtungen und externen Aufbereitern von Medizinprodukten vorsieht. Dieser Vorschlag fand Zustimmung und Aufnahme in das MPDG (§§ 17b und 17c MPDG - neu -).

Die Aussprache von 30 Minuten am 15. April 2021 ist als Video auf der Internetseite des Bundestages nachverfolgbar und auch im Protokoll der 221. Plenarsitzung nachlesbar (Seiten 28001 bis 28007). BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben dem Gesetzentwurf zugestimmt, auch wenn sie „noch Verbesserungsbedarf sehen, insbesondere eine verpflichtende Haftpflicht für Anwender, Betreiber und Hersteller von Medizinprodukten“, so ihre Abgeordnete Kordula Schulz-Asche. Nach ihrer Auffassung ist „auch bei den zertifizierten Benannten Stellen noch viel Luft nach oben“.

Warum AfD, FDP und Linksfraktion Vorbehalte hatten

Nach Ansicht der AfD „lässt der Entwurf bei der Umsetzbarkeit und leider auch der Patientensicherheit Fragen offen, wo es um die Einwilligung beim direkten Patientenkontakt geht oder um Fälle, wo es wegen der Zuständigkeit verschiedener Landesbehörden zu unterschiedlichen Auffassungen kommen könnte“ (Dr. Robby Schlund). Nach Meinung der FDP hat die Anhörung bei zwei Punkten Nachbesserungsbedarf ergeben, dem nicht entsprochen wurde: die Verfahrensordnung bei Medizinprodukten im Eigentum des Patienten, die auf mögliche Risiken geprüft werden sollen und die Überwachung des Marktangebots von Medizinprodukten aus Drittstaaten im Internet. Hier sieht das Gesetz eine Überwachung durch die Länder vor, während die FDP eine bundeseinheitliche Regelung vorgezogen hätte, so der Abgeordnete Dr. Wieland Schinnenburg.

Es hätte „die Gelegenheit gegeben, das Gesetz zu nutzen, um die vielen Baustellen, die es im Medizinprodukterecht noch gibt, anzupacken“, monierte Harald Weinberg von der Fraktion „Die Linke“. „Da haben wir aber in der gesamten Diskussion um die Nutzen-Risiko-Bewertung vor allen Dingen von Medizinprodukten höherer Risikoklassen in der EU erlebt, dass die Bundesregierung eher auf der Bremse als auf dem Gas steht. Eine Zulassung durch eine Behörde vergleichbar der FDA in den Vereinigten Staaten gibt es nicht, nicht einmal für Hochrisikoprodukte“, so der Abgeordnete weiter.

Zwei weitere im Rahmen die Aussprache behandelte Anträge fanden bei der Abstimmung keine Mehrheit:

- Anpassungen der Coronavirus-Teststrategie für das Jahr 2021 (Fraktion der FDP, Drucksache 19/26189) und

- Kapazitäten für Schnelltests massiv ausbauen, Selbstanwendung erlauben und Public-Health-Screenings ermöglichen (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 19/25705, Quelle: Bundestagsmaterialien).

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