Medizinprodukte-Telegramm 6 / 2019
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Medizinprodukte-Telegramm 6 / 2019
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Erscheinungsdatum: 14. Juni 2019
Auflage: 4.437 Exemplare
Keine Entwarnung bei der MDR:
Festgelegte Termine sollen nicht verschoben,
strenge Vorschriften nicht entschärft werden.
Liebe Leserinnen und Leser,
im Prinzip handeln Branchen auch nicht viel anders als Frösche. Wenn deren Sumpf trockengelegt werden soll, quaken sie. Und so hört man immer neue Gerüchte über die neue MDR: In Brüssel soll der Verordnungstext noch mal grundlegend überarbeitet werden, zumindest einige der bisherigen Termine sollen geändert werden, für den Notfall werden bereits auf europäischer und nationaler Ebene Sonderregelungen vorbereitet, und, und, und.
Was lässt sich von den Gerüchten momentan verifizieren? In Brüssel wurden bereits kleinere Berichtigungen der Texte von MDR und IVDR veröffentlicht und auch sehr punktuelle Klarstellungen beispielsweise in MDCG-Dokumenten, die aber vor dem Hintergrund des komplexen Gesamtpakets eher als marginal einzuschätzen sind. Ferner werden dort mögliche Lösungen diskutiert, wie beim Brexit Zertifikate von britischen Benannten Stellen zügig auf andere Stellen mit MDR-Zulassung übertragen werden können. Auch hat sich Deutschland bereits für eine verlängerte „Schonfrist“ für durch die MDR höher klassifizierte Medizinprodukte wie Software als Standalone-Lösung oder wiederverwendbare Instrumente (nun Klasse Ir) eingesetzt, bisher allerdings ergebnislos. Zu beobachten ist auf europäischer Ebene seit einiger Zeit zudem ein munteres Treiben, um immer weitere Komitees, Arbeitsgruppen und andere Gremien zur MDR-Umsetzung zu etablieren.
Die Herausforderungen durch die neue MDR und den bevorstehenden Brexit waren auch beim diesjährigen BVMed-Symposium zum Medizinprodukterecht am 12. Juni 2019 in Köln wieder ein den Herstellern unter den Nägeln brennendes Thema. Eine Verschiebung des Geltungsbeginns oder Änderungen an der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) hält Wilfried Reischl, Leiter des Referats Medizinprodukterecht im Bundesgesundheitsministerium (BMG), für unrealistisch: „Deutschland wird sich aber auf Ministerebene weiterhin für eine europäische Lösung einsetzen, die mögliche Versorgungsengpässe vermeidet".
Ministerium plant Gesetz und Verordnung zur Umsetzung
Auf nationaler Ebene plant das BMG zwei Vorhaben: ein „Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika" (MIDG) und eine Verordnung zu diesem Thema. Die Referentenentwürfe sollen voraussichtlich im Juli 2019 vorgelegt werden.
Aus Industriesicht behandelte Dr. Stefan Todt, Legal Director bei B. Braun Avitum, die neuen klinischen Anforderungen sowie die deutlich umfangreicheren Dokumentations- und Berichtspflichten. Es besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Sein Appell: „Die benötigten EU-Rechtsakte zur MDR-Umsetzung werden umgehend benötigt. Die MDR ist ein Basis-Rechtsakt – und nachgelagerte Rechtsakte fehlen noch immer!" Fast sämtliche Empfehlungen wie die „Guidance-MEDDEVs", „Gemeinsame Spezifikationen" oder „Consensus Statements“ liegen demnach noch nicht vor.
Benannte Stellen bleiben eine Großbaustelle
Bis April 2019 haben von den aktuell 57 Benannten Stellen nur 38 einen Antrag auf Neubenennung für die MDR eingereicht. Davon wurden bislang 25 auditiert, lediglich die Neubenennung der BSI in London und des TÜV Süd wurden abgeschlossen. Nach Einschätzung des Referenten ist es fraglich, ob bis Mai 2020 ausreichende Kapazitäten für Konformitätsbewertungsverfahren zur Verfügung stehen.
Die Auswirkungen des Brexits auf die Medizinprodukte-Branche beleuchtete Dr. Christian B. Fulda von der Kanzlei Jones Day aus rechtlicher Sicht. Ausführlich widmete er sich dabei auch der Frage, was mit den Zertifikaten britischer Benannter Stellen bei einem „Hard Brexit“ geschieht. Nach Auffassung der EU-Kommission erlöschen dann die Zertifikate mit sofortiger Wirkung. Das ist nach Meinung von Dr. Fulda zwar eine deutliche Ansage, aber ein falscher rechtlicher Ansatz.
Durch umfangreiche zusätzliche Vorschriften, deutlich höhere Anforderungen, oft unklare Ausführungsvorschriften, Mangel an dringend benötigten neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit entsprechenden Qualifikationen und geringe Kapazitäten bei den Benannten Stellen stehen insbesondere viele kleine und mittlere Hersteller stark unter Druck. Bei der Medtech-Branche ganz allgemein und den betroffenen Firmen im Besonderen ist nun die spezielle Maßnahme gefragt, welche einst schon Baron von Münchhausen geholfen hat, um aus seinem Schlamassel raus zu kommen: Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.
Freundliche Grüße von unserem Redaktionsteam aus Berlin-Schöneberg
Wolfgang Menke
Als weitere aktuelle Rechtsfragen hat das 14. BVMed-Symposium neben MDR und Brexit die Themen Datenschutz, Arztunterstützungs-Software, Ermittlungsverfahren und Parallelimporte behandelt, zu denen bei BVMed ebenfalls ein ausführlicher Bericht vorliegt.
+ + + Fachprogramm/Strategieprozess Medizintechnik + + +
Die FDP-Fraktion wollte in einer Kleinen Anfrage u.a. erfahren, welche konkreten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der nationale Strategieprozess „Innovationen für die Medizintechnik" der Bundesregierung ergeben hat, und wie diese umgesetzt worden sind. Auf die 23 Fragen hat die Bundesregierung mit einem 25-seitigen Papier ausführlich geantwortet (Drucksache19/10457 vom 23.05.2019 bzw. zusammenfassende Pressemitteilung vom 03.06.2019), wobei allerdings eine Anlage mit einer tabellarischen Zusammenstellung von Forschungsprojekten in der Drucksache bereits allein 15 Seiten umfasst.
Das Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), Gesundheit (BMG) sowie Wirtschaft und Energie (BMWi) hatten 2011 den ressortübergreifenden Nationalen Strategieprozess „Innovationen in der Medizintechnik" initiiert. Vertreter aus Industrie, Wissenschaft und Gesundheitswesen hätten gemeinsam Handlungsempfehlungen erarbeitet, um das Innovationssystem Medizintechnik am Standort Deutschland zu stärken (Schlussbericht zum Strategieprozess vom November 2012). Auf der Grundlage dieser Empfehlungen hat sich das BMBF in der Medizintechnikförderung neu aufgestellt. Im Mai 2016 wurde ein dezidiertes Förderprogramm Medizintechnik veröffentlicht. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode ist die Weiterführung des Strategieprozesses Medizintechnik vereinbart worden.
Auf die spannenden Fragen 3.,4., 5. und 6. zur aus dem Strategieprozess hervorgegangenen Nationalen Informationsplattform Medizintechnik (www.medizintechnologie.de), die seit Anfang 2019 nur noch mit einem Umbauhinweis am Netz ist, hat die Bundesregierung u.a. folgendes geantwortet: Die Plattform wurde mit Laufzeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2018 im Auftrag des BMBF aufgebaut und betrieben. Am 7. Mai 2018 wurde der Dienstleistungsauftrag „Neukonzeption, Realisierung und Betrieb der Nationalen Informationsplattform Medizintechnik“ europaweit ausgeschrieben, die im Einklang mit dem Fachprogramm Medizintechnik zu einer integrierten Informations-, Dialog- und Serviceplattform ausgebaut werden soll. Infolge eines von einem unterlegenen Bieter angestrengten, noch laufenden Vergabenachprüfungsverfahrens konnte der Auftrag bisher nicht vergeben werden.
Die bis Ende 2018 erstellten Inhalte der Informationsplattform Medizintechnik einschließlich Akteursdatenbank und Innovationslotse wurden gesichert und können dem künftigen Auftragnehmer zur Verfügung gestellt werden. Wann dieser feststeht, hängt vom weiteren Verlauf des Nachprüfungsverfahrens ab. Da dessen Ergebnis und Begründung voraussichtlich bis Ende Juli/Anfang August 2019 vorliegen werden, könnte der Neustart theoretisch ab Herbst 2019 erfolgen, falls den Einwänden des unterlegenen Bieters nicht gefolgt wird. Wenn eine komplette Neuausschreibung erforderlich werden sollte, würde sich der Neustart voraussichtlich bis weit in das Jahr 2020 hinein verzögern.
Derzeit scheinen alle Seiten noch optimistisch zu sein, was ihre Chancen im weiteren Verfahren angeht.
+ + + Linktipps für Anwender + + +
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+ + + Therapiewagen zwischen Rollstuhl und Rollator + + +
Im Zentrum der Rehabilitation von Patienten steht oft ihre Mobilisation, bei der sie intensive Betreuung benötigen, um das Gehen wieder zu erlernen. Lösungsansatz ist der neuartige Multitherapiewagen Adiuvad, um die Lücke zwischen Rollstuhl und selbständigem Gehen zu schließen.
Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.
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17. Juni 2019, Düsseldorf
Versorgungsgerechtigkeit statt Wohnortzufall! –
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Der Kongress ist die Plattform zur gemeinsamen Diskussion von telemedizinischen Bedarfen und Innovationen in Nordrhein-Westfalen.
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Ship for Health Innovation Pitches (SHIP)
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5. bis 7. Juli 2019, Erlangen
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Transforming the World of Digital Health
The focus of this years’ Hackathon is on Smart Data in Healthcare and as always everyone is welcome to participate. Doctors, coders, nursing staff or health economists – our Hackathon 2019 is the place to be for everyone who wants to make a difference in the digital era of Healthcare.
5. bis 7. Juli 2019, Tübingen
Innovate.healthcare is a hackathon for innovators passionate about disrupting healthcare with progressive ideas, creative thinking and active doing.
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