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Über Imperien, Eiserne Vorhänge und infizierte Ballons

von Ingo Nöhr

Ingo Nöhr zum 1. Juli 2022


Der chinesische Philosoph Laotse hat mal gesagt: „Ein Land regiert man nach Regel und Maß, Krieg führt man ohne Regel mit List.“ Die Verantwortlichen in vielen Regierungen der Welt haben diese Weisheit noch nicht richtig verinnerlicht: überall fehlt es an Regeln, Maßhalten oder zumindest eine nachhaltige List. Kein Wunder, dass unsere beiden Zeitgenossen Ingo und Jupp zunehmend die Orientierung über das Weltgeschehen verlieren. Aberwitzige Meldungen brechen täglich über sie herein. Zehntausende junge Menschen verlieren gerade ihr Leben, sei es als Angreifer oder Verteidiger. Wahnwitzige Geldsummen werden in Waffen investiert, ungeheure Werte sinnlos zerstört – und die Menschen flüchten in kilometerlangen Schlangen zum Urlaub in fremde Länder, als wenn das klimatische Armageddon schon in Kürze bevorsteht - nur noch schnell was erleben, bevor das Geld durch die Inflation aufgefressen und die Welt untergeht. Kein gutes Umfeld für einen Pessimisten wie Jupp, der sich nur noch behutsam den täglichen Nachrichten aussetzt und ansonsten in seinem Garten dicke Bücher liest.

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Hallo Ingo, warst du schon auf der Documenta in Kassel, die Kunst des Globalen Südens anschauen?

  • Jupp, nein, noch nicht. Da rennen mir im Moment noch zu viel aufgeregte Leute herum. Die Indonesier, die das umstrittene Monumentalbild aufgestellt haben, betrachten sich also als Vertreter des Globalen Südens. War dies bisher nicht die Dritte Welt? Dieser Begriff ist mir eigentlich neu.

Ja, Ingo, da kann ich auch mal etwas zu deiner Bildung beitragen. Der Begriff Global South wurde schon vor dreißig Jahren von der Weltbank geprägt, um die Abwertung der Bezeichnung Entwicklungs- und Schwellenländer zu vermeiden. Wir gehören eindeutig zum Globalen Norden und vertreten somit die reichen Industrieländer.

  • Richtig, ich erinnere mich, dass damals vom Nord-Süd-Konflikt gesprochen wurde. Und dann hatten wir noch den Ost-West-Konflikt, damals im Kalten Krieg. Die Ostgrenze hat sich seitdem zum Ärger Putins mächtig in Richtung Russland verschoben. Er möchte die Geschichte wieder ins Zarenreich zurückdrehen. Dann bliebe uns Europäer als Imperium nur noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation des Kaisers Karl des Großen. Das Dritte Reich Hitlers möchte ich aus nachvollziehbaren Gründen lieber nicht erwähnen.

Hoffentlich kommt China nicht auf die Idee, das Mongolische Reich von Dschingis Khan zu reaktivieren, es reichte nach 1260 bis zum Baltikum und umschloss große Teile Russlands und das heutige China.

  • Oh, da kommt er dem Erdogan in die Quere: sein Traum vom Osmanischen Reich um 1683 reichte bis nach Nordafrika und wurde erst vor Wien gestoppt. Ich glaube, die Lösung der imperialen Träume liegt in einem Wettkampf, wie er vielleicht schon in der Steinzeit ausgefochten wurde. Die machtverliebten Häuptlinge Xi Jinping, Putin, Erdogan und möglichst auch noch Donald Trump treffen sich zu einem mörderischen Schlagabtausch auf einer kleinen Insel. Wer überlebt, darf sich dann Sultan, König, Kaiser, Zar oder Präsident der Insel nennen und wird entsprechend bis ans Lebensende hofiert und durchgefüttert.

Gute Idee, Ingo. Du hast schon früher den Vorschlag gemacht, alle Staatstreffen wie die G7, G20, NATO- und sonstige Generalversammlungen mit wichtigen Politikern auf dem vorab evakuierten Helgoland abzuhalten, um die übrige Bevölkerung vor den radikalen Sicherheitsmaßnahmen zu schützen. 

  • Und natürlich würde man immense Kosten einsparen. Das letzte G7-Treffen auf Schloss Elmau hat 166 Millionen Euro gekostet und zum Schutz der wenigen Hanseln 18.000 Polizisten beschäftigt. Wenn die Staatsmänner wenigstens einen kostendeckenden Eintritt bezahlt hätten. Schließlich gab es von Ministerpräsident Söder noch einen Rucksack mit Wegzehrung für die Rückreise als Geschenk.

Aber Ingo, kommen wir nochmal auf die Einteilung der Welt in die vier Himmelrichtungen zurück. Exakt geographisch betrachtet trennt der Äquator Nord und Süd sowie der Greenwich-Meridian Ost und West. So gesehen sind der größte Teil Afrikas, Indien, Malaysia und die Philippinen dem Globalen Norden zuzuordnen. Die Ost-West-Teilung über London würde die Europäische Union bis auf Spanien dem Osten zuweisen. Das passt irgendwie nicht zur aktuellen Realität. Der neutrale Beobachter des Weltgeschehens müsste dann am Kreuzungspunkt im Golf von Guinea südlich von Ghana positioniert werden.

  • Das wäre ja ein idealer Treffpunkt für solche Monsterversammlungen. 2001 trafen sich die Staatschefs der G8-Länder in Genua auf einem Kreuzfahrtschiff, aus Angst vor Terroranschlägen. Das Schiff sollte nach dem Eintreffen der Gäste sofort ablegen und erst wieder zurückkehren, wenn sich alle Potentaten auf vernünftige Lösungen geeinigt haben. Spätestens dann, wenn das Essen ausgeht, wird man sich zusammenraufen. So ähnlich machen es ja auch die Kardinäle im Vatikan, wenn sie im Konklave einen Papst wählen müssen. Einsperren, bis zur Einigung – altbewährte Lösung.

Ingo, da werden sicherlich einige Nationen spürbar aufatmen, wenn ihr Chef mal länger außer Landes ist. Ich höre gerade die Nachricht aus Nordkorea, wo gerade die Corona-Pandemie ohne irgendwelche Beschränkungen grassiert - keiner ist geimpft oder getestet, da Covid laut Diktator Kim Jong Un nicht existiert. Nun gibt es einen nationalen Notstand mit fast fünf Millionen an Fieber erkrankten Menschen. Und wie ist nun das Virus in das total isolierte Land gelangt? Die Regierung macht Agenten aus Südkorea dafür verantwortlich, die angeblich infizierte Ballons mit Flugblättern über die Grenze geschickt hätten.

  • Wir könnten doch Lauterbach als Berater mal hinüberschicken. Aber eigentlich würde ich ihn gern in Dänemark sehen. Dort hat die Regierungschefin Mette Frederiksen gerade die neue nationale Corona-Strategie vorgestellt: „Unsere Botschaft ist, dass ihr den Sommer ohne Sorgen genießen sollt. Feiert, umarmt und küsst ohne Bedenken“. Maskenpflicht und Lockdowns werden auch für den Herbst und Winter ausgeschlossen.

Das lässt mich wirklich staunen, Ingo. Lauterbach rechnet mit einer massiven Verschlechterung der Coronalage im Herbst, die durch extrem hohe Fallzahlen sogar die kritische Infrastruktur bedroht. Gibt es jetzt etwa auch einen Eisernen Vorhang zwischen Deutschland und Dänemark, mit dem gerade der russische Außenminister Lawrow zwischen Russland und dem Westen gedroht hat?

  • Was kommt da auf uns zu? Nichts Genaues weiß man nicht! Das schreiben schon die Sachverständigen in ihrem Corona-Evaluierungsgutachten über die Wirksamkeit bisherigen Schutzmaßnahmen. Wir haben einfach keine verlässlichen Daten gesammelt, um vernünftige Aussagen über die Coronapolitik treffen zu können. Dabei hat das RKI schon vor 20 Jahren dringend angemahnt, dass man die Wirkung von Pandemiemaßnahmen vorbeugend untersuchen sollte. Ende 2020 bekam das RKI von 68 beantragten Datenerhebungen nur vier genehmigt.

Wir können doch einfach unsere Nachbarn in Großbritannien fragen. Dort hat das Gesundheitsministerium seit Beginn der Pandemie monatlich 150.000 Menschen befragt und untersucht. Aber was ist, wenn die Briten wie die Dänen genauso verschieden als wir auf den Virus reagieren. Sind wir Deutschen medizinisch eine besondere Spezies?

  • Na ja Jupp, vielleicht sind wir als gestandene Biertrinker eine empfindlichere Gattung und wir sollten mal auf Whisky oder Aquavit umsatteln?

Halte ich für keine gute Idee, Ingo. Schließlich sind wir mit unserem guten deutschen Bier ganz passabel alt geworden. Und der Corona-Fuzzi konnte uns auch nicht umschmeißen. Also Prost auf die Genesung der übrigen Welt.

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„Keiner steht einfach auf und sagt "Ich werde mir das hier nehmen, weil ich es will." Er wird sagen, "Ich werde es nehmen, weil es ja eigentlich mir gehört, und es besser für alle wäre, wenn ich es hätte." Das trifft auf Kinder zu, die sich um Spielzeug streiten, und auch auf Regierungen, die in Kriege ziehen. Niemand ist jemals in einen Angriffskrieg involviert; es ist immer ein Verteidigungskrieg - auf beiden Seiten.“ 
(Noam Chomsky, Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology, 1928)

„Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“
(Erich Maria Remarque, deutscher Autor 1898 – 1970)

„Jeder Krieg ist ein Symptom für das Versagen des Menschen als denkendes Tier.“
(John Steinbeck, US-amerikanischer Autor, 1902-1968)

„Das Friedensministerium befasst sich mit Krieg, das Wahrheitsministerium mit Lügen, das Ministerium für Liebe mit Folterung und das Ministerium für Überfluss mit Einschränkungen.
… Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke.“
(George Orwell, 1984)

 

 

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