Alle anzeigen

Über Freunde im Leben

von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

Das heutige Treffen in der Stammkneipe steht bei unseren Freunden Ingo Nöhr und Jupp ganz im Zeichen vom jüngsten Ableben eines Modezaren. Seine Weisheiten im Vorfeld des bevorstehenden Karnevals und aktuellen Politikrummels erhalten für die beiden eine tiefere Bedeutung und erklären das derzeitige Weltgeschehen.

Hallo Ingo, hast du nicht auch das Gefühl, dass sich unser Leben in der letzten Zeit immer mehr beschleunigt? Sogar die Natur hat im Februar den Frühling vorgezogen. Bei Temperaturen um 20 Grad knospet die Pflanzenwelt in froher Erwartung vor sich hin, um vielleicht ein paar Tage später von einem brutalen Winterfrost wieder zerstört zu werden. Meine Frau weiß nicht mehr, ob sie die Wintergarderobe jetzt einmotten und sich mit der neuen Sommermode eindecken soll. Sie trauert dem genialen Karl Lagerfeld nach. Der hätte bestimmt eine ganz spezielle Mode für diesen verrückten Jahreszeitenmix entworfen.

  • Da kommt hinzu, dass dieser Modegeck die Richtung, was modemäßig gerade angesagt ist nicht einfach durch ein Machtwort vorgeben konnte. Etwas Entscheidendes muss nämlich hinzukommen: „Eine Frau ohne Stil hat auch in einem Kleid mit Stil keinen Stil.“

Da ist es ja gut, Ingo, dass wir beide immer Jeans tragen, denn „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Der Mann mit Mozartzopf hat aber für seine nun führerlose Nachwelt schon längst vorgesorgt: „Der Mode entkommt man nicht. Denn auch wenn Mode aus der Mode kommt, ist das schon wieder Mode.“ Gilt das nicht auch für unsere politische Situation? Keine gesellschaftspolitische Orientierung mehr zu haben, ist auch eine Politik. In Todesangst entdeckt die SPD gerade ihre alten sozialistischen Ideale. Und die CDU entsorgt schleunigst ihr jahrzehntealtes Erfolgsmodell Angela.

  • „Nur stumpfe Köpfe glauben, dass Erfolg ein Dauerzustand ist.“ Das stammt auch von Lagerfeld, Jupp. Er scheint ja ein richtiger Philosoph gewesen zu sein, seiner Zitatesammlung nach zu urteilen. Er hatte sogar ein überraschendes Rezept für die Befriedung unserer Welt parat: „Ich wünschte mir, all die Geschichten mit den Christen, Moslems, Juden würden aufhören und wir könnten wieder zur griechischen Mythologie zurückkehren.“

Ja, ja Ingo: die alten Griechengötter mit ihrer Chaotenfamilie: Neid, Eifersucht, Ehebruch, Unzucht, Sodomie, Rache – alles dabei, was eine erfolgreiche Soap Opera ausmacht. Was würde der alte Zeus im Grabe der Geschichte zu unserer heutigen Kirche sagen, die zurzeit im Sumpf des weltweiten Kindesmissbrauchs versinkt?

  • „Ich finde es besser, wenn sich Leute im Grab umdrehen, als ewig zu ruhen.“ Das war auch vom Karl. Mit seinen manchmal skandalösen Äußerungen in Interviews hat er ja für viel Rotation in manchen Gräbern gesorgt. Aber er machte sich deswegen keine Illusionen über die Folgen: „Ich gehöre in die Hölle. Im Himmel ist es sicher langweilig.“ Klar nachvollziehbar, wenn die flippige Zeustruppe nicht mehr für die Unterhaltung sorgt.

Also mich erinnert Lagerfeld in seinem Verhalten an Donald Trump: „Ich leide an einer Überdosis meiner selbst.“ Alles Widersprüchliche und Unpassende erklärt er zu Fakenews. Ihm fehlt Karls Selbsterkenntnis: „Mir geht manches durch den Mund, bevor es mir durch den Kopf geht.“ Heutzutage schafft es sein Blödsinn garnicht mehr bis zum Mund, sondern wählt gleich den Weg durch die Finger in die Twitter-Tastatur.

  • Vielleicht ist Trump einfach zu früh zum Präsidenten gewählt worden, er ist ja noch in der Trotz­phase eines Kindes und beherzigt anscheinend Karl Lagerfelds Ratschlag „Ich bin dafür, dass man früh im Leben profitiert und später anständig und seriös wird, nicht umgekehrt.“ Er ist ja wandel­bar, wie sein jüngster Besuch bei seinem Freund Kim Jong-Un zeigt, der ihm so liebevolle Briefe geschrieben hat, nachdem sie sich vorher wutentbrannt gegenseitig ihre Phallussymbole vorge­zeigt haben. Dummerweise wollte Kim sein geliebtes Atomraketenspielzeug trotz der „sehr warmherzigen Beziehung“ nicht abgeben. Abrupter Abbruch der Verhandlungen in Hanoi, überstürzte Abreise - aber die beiden bleiben weiterhin Freunde: „Wir mögen uns einfach. Wir hatten eine produktive Zeit.“ Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.

Ja, Donald Trump hat jetzt momentan dicke Probleme mit einem anderen Freund, der zehn Jahre lang für ihn lügen und betrügen musste. Sein Ex-Anwalt Michael Cohen packt öffentlich aus: "Ich schäme mich, weil ich weiß, was Herr Trump ist: Er ist ein Rassist. Er ist ein Betrüger. Er ist ein Hochstapler." Wow, wirklich? Das haben wir ja gar nicht gewusst. Wie heißt es so schön: „Gute Freunde kennen deine übelsten Geschichten. Die besten Freunde haben sie mir dir erlebt.“ Vielleicht tröstet ihn Paul Newman mit seinem Spruch: „Hast du keine Feinde, hast du keinen Charakter.“

  • Aber immerhin hat sich der Größte Präsident aller Zeiten während seiner kurzen Amtsdauer eine Menge neuer Freunde geschaffen: all die Reichen, die nun unbelastet von Steuersorgen und Umweltregularien ihre hochprofitablen Geschäfte besorgen können. Die endlich für ihre kostspieligen Einzahlungen im Wahlkampf mit lukrativen Pöstchen in der Diplomatie und in Weltorganisationen belohnt werden. Mit seiner Steuerreform zu Weihnachten hat er die Superreichen und Konzerne um satte 1500 Milliarden Dollar entlastet.

Dabei stehen die USA heute mit der Weltrekordszahl von unfassbaren 21,2 Billionen Dollar Staats­schulden bei den Gläubigern in der Kreide, vor allem bei den Chinesen und Japanern je mit einer Billion. Auf jeden US-Bürger, Baby, Bettler wie Greis, lastet eine Schuld von 63.000 Dollar. Der Präsident hat natürlich im Laufe der Zeit schon viele Lösungen präsentiert, um das Schuldenproblem zu lösen: Zölle für China-Importe, , Ausstieg aus dem teuren Klimaabkommen, dafür eine aggressive Energiepolitik mit Zugriff auf irakisches und venezolanisches Öl, radikale Entmachtung von angeblich verschwenderischen Umweltbehörden und Forschungsinstitutionen, natürlich die Abschaffung des verhassten Obamacare, - oder einfach neues Geld drucken. Schließlich hat die Federal Reserve schon Ende 2017 jeden Tag 50 Millionen Dollar neu gedruckt. Aber weil die US-Notenbank diesmal nicht mitspielen will, erklärt er sie kurzerhand zum Feind: "Das einzige Problem, das unsere Wirtschaft hat, ist die Fed."

  • Da hat natürlich unser Karl Lagerfeld auch ein geeignetes Rezept: „Das Geld muss aus dem Fenster, damit es zur Tür wieder reinkommt.“ Dabei sind die Reichen eigentlich arm dran, meint er: „Das wirkliche Drama der Reichen ist, dass es immer noch reichere gibt.“ Er selbst war ja fein raus: „Ich wollte vom Geld nie etwas wissen. Welches zu haben, ist nur die Voraussetzung dafür, um welches ausgeben zu können.“

Der Ex-VW-Chef Martin Winterkorn wird nach seinem Rücktritt immer noch mit millionenschweren Abfindungen und Boni überschüttet. Dabei hat der Dieselbetrug VW schon 27 Milliarden Euro gekostet, dieses Jahr kommen weitere 5,5 Milliarden dazu. Mittlerweile haben sich 300.000 VW-Besitzer einer Sammelklage angeschlossen. Da helfen die alten Freunde beim Kraftfahrtbundesamt und im Verkehrsministerium jetzt auch nicht mehr weiter.

  • Ich habe lieber wahre Feinde als falsche Freunde, Jupp. Denn Martin Luther King sagte mal: „Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.“ Apropos: einer der besten Freunde eines Menschen sagt nie ein Wort. Denn der einzig absolute Freund, den ein Mensch in der selbstsüchtigen Welt haben kann, der ihn nie verlässt, der sich nie undankbar oder betrügerisch verhält, ist ein treuer Hund. Er stellt keine Fragen und kritisiert dich nicht.

Ach, Ingo. Ich fürchte, wenn wir mal irgendwann wegen Demenz von unserer Familie in einen Seniorenstift abgeschoben werden, dann wird kein Hund, sondern ein Kuschelroboter unser letzter Freund sein. Aber mit dem kann man wenigstens Tag und Nacht quatschen. Und nebenbei passt seine künstliche Intelligenz auf mich auf und alarmiert seinen Blechkollegen, falls ich aus dem Bett fallen sollte.

  • Bis dahin hast du aber noch viel Zeit. Möglicherweise haben wir noch vierzig Lebensjahre vor uns. Der Direktor des New Yorker Instituts für Alternsforschung, Nir Barzilai untersuchte letztlich 500 Hundertjährige und forscht jetzt nach Medikamenten, die uns auch 100 Jahre alt werden lassen. Er ist schon fündig geworden: ein jahrhundertealtes Mittel – das Bockskraut. Heutzutage wird der Extrakt im Diabetiker-Medikament Metformin verwendet – und oh Wunder: trotz Blutzucker und Übergewicht leben die damit behandelten Zuckerkranken signifikant länger als die gesunden Kollegen aus der Kontrollgruppe. Nun sucht er 3000 Probanden für eine sechsjährige Studie. Wollen wir uns da nicht melden, Jupp?

Vielleicht keine schlechte Idee, Ingo. Dann müssen wir uns im Altersheim nicht mit der künstlichen Intelligenz herumschlagen. Gerade hat nämlich in Harvard der Gründer des Future of Life Institutes, Max Tegmark verkündet: „Zuerst die schlechte Nachricht: Die Menschheit rast auf einen Abgrund zu. Und jetzt die gute: es sitzt niemand am Steuer.“ Warum? Die KI-Roboter werden bald die Menschheit versklaven. Ganz einfache Gegenstrategie: die lassen wir einfach nur nicht an uns heran. Höchstens noch als Kuschelroboter, dann aber ohne WLAN.

  • Du hast recht, Jupp. Man muss die Roboter einfach nur als zusätzliches Werkzeug benutzen. Sie sollen weiterhin die Wohnung putzen, den Rasen mähen, unsere Autos herstellen und die Sexs­üchtigen mit speziellen Dienstleistungen beliefern. Unser Wirtschaftsminister Peter Altmaier freut sich auch schon auf eine Zukunft, so verkündete er letzte Woche im Rahmen des Digital­gipfels in Nürnberg, wenn ihm ein in Deutschland hergestellter Digitalbutler das Bier aus dem Kühlschrank holt.

Schöne Vorstellung. Und der Kühlschrank darf natürlich nicht am Internet hängen und ihm das Bier aus Gesundheitsgründen verweigern. Gut, dass wir hier noch einen nichtdigitalen Freund haben. - Hallo, Wirt, bring deinen Freunden noch mal zwei Bier, bitte.

  • Prost Jupp, auf die Freundschaft und auf eine Zukunft mit unterwürfigen KI-Robotersklaven und einer wirksamen Alterspille.

„Ich weiß wohl, dass Politik selten Treu’ und Glauben halten kann,
dass sie Offenheit, Gutherzigkeit, Nachgiebigkeit aus unserem Herzen ausschließt.“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Zurück

Einen Kommentar schreiben