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Ich pflanze noch ein Apfelbäumchen

von Ingo Nöhr

Ingo Nöhr zum 1. April

Angesichts der täglichen Grausamkeit im ukrainischen Kriegsgebiet ist den beiden Freunden Ingo und Jupp der Spaß an einem Aprilscherz vergangen. Kaum vorstellbar, wie dort unter diesen Umständen noch eine medizinische Versorgung der vielen Verwundeten möglich ist. Das bisher meist einvernehmlich regulierte Weltgeschehen schlägt schlagartig in eine brutale Machtpolitik um. Die neue Wirklichkeit hat den Koalitionsvertrag der drei Ampel-Parteien ignoriert und die Regierung arbeitet nun fieberhaft an einem Neustart aller strategischen Ziele in der Verteidigungs-, Energie-, Haushalts- und Sozialpolitik. Die Klimapolitik und die Pandemiebekämpfung müssen jetzt erstmal warten. Fraglich ist, wie lange die Umwelt und das Corona-Virus sich das noch gefallen lassen.

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Hallo, Ingo, jetzt steht ja dein damals prophezeiter Weltumbruch kurz bevor. Siehst du irgendwo schon den Phönix aus der Asche steigen? Sollte der durchgeknallte Putin tatsächlich auf seinen roten Atomknopf drücken, würde sich dein Vogel eine Menge Radioaktivität einfangen.

  • Ja, Jupp, ich kann deine Stimmung gut nachvollziehen, schließlich befinden wir uns nun schon seit zwei Jahren im permanenten Krisenmodus. Und auf keinem Gebiet zeichnet sich eine nachhaltige Lösung ab, weder bei der Pandemie, dem Klimawandel noch im kriegerischen Expansionswillen von Despoten. Und am Horizont läuft sich schon Donald Trump für eine neue Amtszeit warm.

Als was wird diese Periode wohl später in die Geschichtsbücher eingehen? Die drei großen Imperien USA, China und Russland befinden sich im finalen Machtkampf und mittendrin ein meist zerstrittenes und chaotisches Europa. Erleben wir gerade live den Zerfall der alten Machtblöcke wie beim Untergang der Sowjetunion und dem britischen Empire? Wer wird der Nachfolger, etwa China?

  • Das wird dir heute noch keiner sagen können, Jupp. Schließlich handelt es sich um ein hochkomplexes dynamisches System, wo schon kleine Änderungen unabsehbare Folgen auslösen können. Vergiss nicht die einfachen Menschen an der Basis. Sie haben durch ihren Protest gegen die Machthaber letztendlich Trump abgewählt, die Berliner Mauer eingerissen, die Wiedervereinigung Deutschlands erreicht und die sowjetischen Bruderstaaten in die EU eingebracht. Du erkennst die schlummernde Energie der Bürger in der unbeschreiblichen Solidarität und Hilfeleistung mit den fliehenden Ukrainern. In diesem zutiefst menschlichen Selbstverständnis sehe ich den unzerstörbaren Kern der Freiheitsliebe und die Quelle des Widerstandes gegen Despoten aller Art.

Da magst du als unverbesserlicher Optimist vielleicht Recht haben, aber aktuell sollten wir uns schleunigst mal nach einem atombombensicheren Bunker umschauen. Schließlich hat der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gedroht, dass Russland nicht zögern würde, Atomwaffen bei „existenzieller Bedrohung“ einzusetzen. Unser Zivil- und Katastrophenschutz ist doch kaputtgespart worden. Die Alarmsysteme sind größtenteils festgerostet oder demontiert. Wahrscheinlich müssen uns im Ernstfall die Kirchenglocken alarmieren, wie im Mittelalter. Von den 2000 Bunkern des Kalten Krieges sind nur noch 600 übriggeblieben. Sogar der Regierungsbunker in der Eifel ist mit Millionen Kosten wieder abgebaut worden, weil es hieß: „Die Regierung kümmert sich ja um den Frieden und daher braucht sie keinen Zufluchtsort vor dem Krieg.“

  • Aber zu deiner Beruhigung, Jupp: wir werden nicht gleich verhungern. An 150 geheimen Orten werden noch heute Nahrungsmittel-Notrationen von Weizen, Roggen, Hafer, Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch gelagert – insgesamt rund 130.000 Tonnen. Und das Technische Hilfswerk kann rund 400.000 Menschen mit Trinkwasser versorgen. Über die Biervorräte konnte ich allerdings nichts in Erfahrung bringen.

Also, sehr beruhigend zu wissen. Wir können die ersten Wochen nach dem Atomschlag noch überleben. Hoffentlich fällt er in den Sommer, sonst müssen wir nämlich frieren. 2015 gab der deutsche Energieversorger Wintershall alle deutschen Erdgasspeicher in die russischen Hände der Gasprom-Tochter Astora.

  • Jupp, wir sind ja selber verantwortlich: wir lebten auf einer Insel der Seligen. Deutschland hat seine Sicherheit in die Vereinigten Staaten, seinen Energiebedarf nach Russland und sein vom Export getragenes Wirtschaftswachstum nach China ausgelagert. Daher konnte man unsere Bundeswehr als kostengünstige Friedensarmee ohne funktionierende Waffen führen, billiges Öl verprassen und in weltverseuchendes Mikroplastik verwandeln. Für den täglichen Konsum von chinesischer Billigware war Amazon zuständig. Jetzt ist die Zeit im Schlaraffenland wohl vorbei und die harte Wirklichkeit holt uns ein. Wie immer, sind wir nicht gerade angemessen darauf vorbereitet.

Also gilt wieder einmal: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner. Vielleicht noch der nette Nachbar. Die Ahrweiler können ja ein Lied davon singen. Unser tolles Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt jedem Bürger, eine Reserve anzulegen, sodass ein Haushalt ohne Einkaufen und Wasserzufuhr zehn Tage überleben könnte. Also denk bitte daran, lieber Ingo, genügend Klopapier und Sonnenblumenöl einzulagern. Und für zehn Euro kannst du dir das Buch „Kochen ohne Strom“ mit vielen Rezepten kaufen.

  • Aber Jupp, die Ausgabe für das Buch werden wir uns doch locker leisten können, wenn jetzt im Sommer unsere Renten so stark steigen wie lange nicht. Eigentlich erstaunlich. Schließlich hat unser Finanzminister Christian Lindner noch im Wahlkampf und sogar im Koalitionsvertrag absolute Sparsamkeit verkündet: „Die Grundwerte von Freiheit und Selbstbestimmung sind für uns nicht verhandelbar. Einer Regierung könnten wir deshalb nicht beitreten, die Steuern erhöht und die Schuldenbremse missachtet.“ Jetzt unterschreibt er einen Scheck nach dem anderen: 100 Milliarden für das Militär, Dutzende Milliarden für das Klima, und weitere für den beschleunigten Ausbau des Sozialstaates, aktuell neues Geld für die Flüchtlinge. Vermutlich steht auch bald eine Diätenerhöhung für die Politiker an.

Ja, erstaunlich, Ingo, wo das Geld plötzlich herkommt – alles für superteure Reparaturen der Altlasten früherer Regierungen. Mir kommt da ein Spruch in den Sinn: „Ich kann jetzt nicht den Weidezaun reparieren, denn ich muss ständig die entlaufenen Kühe wieder einfangen!“ Durch dieses Verhalten hat sich unsere Staatsschuld in den letzten 15 Jahren auf 2.300 Milliarden Euro verdoppelt, das macht fast 30.000 Euro pro Kopf. Da werden unsere Urenkel beim Zurückzahlen aber heftig auf uns fluchen.

  • Vielleicht bekommen unsere Urenkel die Rechnung gar nicht mehr auf den Tisch. Ich hatte da gerade eine Vision, als ich an die kommenden Innovationen der Rüstungsindustrie dachte. Die Kampfdrohnen und anderen Lenkwaffen sollen doch autonom von Künstlicher Intelligenz gesteuert werden. Was wäre, wenn die KI plötzlich Super-Intelligenz entwickelt und sich entscheidet, einfach zum Abschussort zurückzufliegen, um dort den Angreifer in die Luft zu jagen. Wenn das alle intelligenten Waffensysteme machen würden, müssten wir wieder Mann gegen Mann mit Keulen und Speeren kämpfen.

Da würden sich die Menschen aber reichlich dumm vorkommen. Eine Maschine ist schlauer als sie - das kratzt bestimmt mächtig am Selbstbewusstsein. Ich habe gerade eine andere Idee, die mir als Pessimisten näher liegt. Nimm mal folgendes Szenario an: ein großer Asteroid ist auf den Weg zur Erde, der Aufprall in wenigen Wochen ist unvermeidlich. Plötzlich ist die gesamte Menschheit von der Vernichtung bedroht. – Jaaa Ingo, ich gebe zu: die Story habe ich von den letzten Katastrophenfilmen geklaut. Aber lass uns trotzdem mal spekulieren. Wie würden sich die Menschen vor der drohenden Apokalypse verhalten?

  • Ich denke mal, sehr unterschiedlich, je nach Mentalität und Kultur. Die Religiösen würden ihr Heil in den Gebeten suchen, die Buddhisten bereiten sich mit guten Taten auf die Reinkarnation vor. Die esoterischen Gurus würden den Asteroiden als Raumschiff einer fremden Rasse begrüßen. Die Kapitalisten könnten extrem verteuerte Bunkerplätze verkaufen. Putin würde sicherlich mit Militärgewalt noch schnell ein paar ehemalige Ostblockländer in sein Reich heimholen. Die Oligarchen steuern mit ihren Super-Yachten die Antarktis an. Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson machen ihre Raketen und Raumschiffe für den Mond oder den Mars klar. Und was machst du, mein lieber Jupp? Als Pessimist wärest du ja eigentlich gut auf ein solches Szenario vorbereitet.

Gute Frage. Ich würde mein ganzes Geld zusammenkratzen, alle meine Freunde einladen und bis zum Knall eine rauschende Party veranstalten - in dem schönen Gefühl, dass in Kürze alle meine Sorgen und Ängste ein Ende finden werden. Und jetzt will ich aber wissen, wie du dich verhalten würdest, Ingo.

  • Ich würde mich an den Vorschlag von Martin Luther halten: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Und dazu lese ich das passende Buch von Hoimar von Ditfurth mit dem Titel „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen – es ist so weit“. Schon im Jahre 1985 hat er die bevorstehende Endzeit beschrieben: Atomkrieg, Umweltzerstörung, Bevölkerungsexplosion und die Unfähigkeit der menschlichen Gesellschaft, darauf angemessen zu reagieren. Immerhin haben wir noch 37 Jahre lang durchgehalten. Und natürlich, als unverbesserlicher Optimist hoffe ich darauf, dass der Asteroid die Erde nur am Rande streifen wird, wie ein flacher Stein auf dem Wasser abprallen und wieder ins Weltall entschwinden wird. So what?

Wow, Ingo. Ich habe den Eindruck, wir beide könnten der Katastrophe gefasst ins Auge schauen. Dann lass uns mal auf eine hoffnungsfrohere Zukunft mit einem gepflegten Bier anstoßen. Wie gut, dass der Hopfen nicht aus der Ukraine kommt. Oh, das ist schon wieder unser Stichwort. Dazu sollten wir jetzt mal ein paar Gedenkminuten für die Menschen einlegen, die in der Realität gerade die menschgemachte Hölle auf Erden erleben.

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„Alle die fahlen Rosse der Apokalypse sind durch mein Leben gestürmt, Revolution und Hungersnot, Geldentwertung und Terror, Epidemien und Emigration; ich habe die großen Massenideologien unter meinen Augen wachsen und sich ausbreiten sehen, den Faschismus in Italien, den Nationalsozialismus in Deutschland, den Bolschewismus in Russland und vor allem jene Erzpest, den Nationalismus, der die Blüte unserer europäischen Kultur vergiftet hat.“ 
(Stefan Zweig, Die Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers, 1942)

„Selbst wenn also eine Zombie-Apokalypse stattfinden sollte, werden Sie dank des Tesla-Supercharging-Systems immer noch imstande sein, zu reisen.“  
(Elon Musk, US-amerikanischer Unternehmer)

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