Dres. McCoy, Feelgood und Eisenbarth im Einsatz
von Ingo Nöhr
„Booh, das hätten wir mal wieder geschafft. MEDICA in drei Tagen.“ Mit wundgelaufenen Füssen haben Jupp und ich uns wieder in unserer Eckkneipe eingefunden, um eine erste Rückschau zu halten.
„Hast du das gelesen, Ingo? Gigantisch, nicht wahr: 130.000 Besucher aus 120 Ländern. Wieviel Hallen hast du denn geschafft?“
„Na ja, so riesig ist die MEDICA eigentlich nicht, verglichen mit anderen Messen. Die IAA, die CeBit und die Frankfurter Buchmesse sind mindestens doppelt so groß. Und die Grüne Woche in Berlin lockt sogar dreimal soviel Besucher an. Aber ich gebe dir recht, die Hallen der MEDICA sind in drei Tagen nicht zu bewältigen. Bei den 4.600 Ausstellern hast du weniger als 20 Sekunden Zeit, um jeden Stand zu besuchen.“
In meinem geistigen Auge sehe ich mich bei einem Wettrennen gerade mit einem Roller durch die Hallen flitzen, um mir von jedem Aussteller einen Stempel in einen Laufzettel drücken zu lassen. Sieger ist derjenige mit den meisten Einträgen. – „Darauf kommt es ja garnicht an. Die MEDICA ist auch ein riesiger Treffpunkt. Ich habe sogar alte Studienfreunde getroffen. Für die vielen Meetings mit wichtigen Leuten hätte ich sonst mehrere Wochen an Terminen benötigt. Die Hälfte meiner Zeit habe ich mit Kollegen gesprochen.“
„Ja, Ingo, und jetzt schauen wir uns wie japanische Touristen nach einer Fünf-Tages-Europatour auf der MEDICA-Webseite im Internet an, was wir alles an Sensationen verpaßt haben. Da tun uns wenigstens nicht die Füsse weh und das Wichtigste wird uns schon gut vorgekaut vorgesetzt.“ – Diese Vorstellung wirkte augenblicklich etwas appetitmindernd und ich beschloss, die Speisekarte erst zu einem späteren Zeitpunkt zu studieren.
„Du warst ja auch bei den High-Noon-Veranstaltungen am KKC- Stand zugegen. Wie haben dir die drei Doktores aus der Zukunft gefallen, Jupp?“ - „Ja, Dr. McCoy mit seinen Nano-Robotern war schon stark. Da hast du dir nur ein Bein gebrochen und schon bist du der gesamten Apparatemedizin ausgeliefert: Op-Roboter, Nanotechnik-Einsatz, Gen-Analysen, Organzüchtung. Gefällt dir etwa diese Vorstellung, Ingo?“
„Diese Entwicklung geht in Richtung Präventivmedizin durch Anlegen eines Ersatzteillagers. Es ist schon genial: wenn du weißt, dass du in 7,8 Jahren mit 67%-iger Wahrscheinlichkeit einen Leberkrebs bekommst, kannst du dir schon mal frühzeitig ein neues Organ bestellen. Eigentlich kannst du dann gleich deinen ganzen Körper klonen und dich im Alter erneuern.“
„Ich wüßte schon, welches Organ ich mir bevorzugt und in einem etwas größeren Format heranzüchten lassen würde.“ – Das Leuchten in Jupps Augen verriet mir, dass seine männliche Fantasie gerade jugendgefährdende Visionen produzierte und ich beschloß, schnell das Thema zu wechseln.
„Dr. Feelgood hat ja einen ganz anderen Ansatz verfolgt: Das gebrochene Bein als ein Warnsignal für einen beschädigten Astralleib. Durch kosmische Strahlen, Quantenphysik, Amulette und ganzheitliche Behandlung sollen zunächst die Chakren und Meridiane repariert werden, ganz ohne Apparatemedizin. Jupp, willst du lieber solch eine Medizin in der Zukunft?“ – „Na ja, es ist eine andere Welt. Die der Erdstrahlen, Wasseradern und Feng-Shui-Geister. Nur schade, dass Dr. Feelgood nicht etwas mehr über das Wurzel-Chakra und dessen Energiemeridiane erzählt hat, das hätte mich sehr interessiert.“
Schon wieder rutscht unser Gespräch unter die Gürtellinie. Jupp scheint gerade unter Hormondruck zu stehen. Also reden wir mal lieber über Dr. Eisenbarth, der sich mit Minimalmedizin in einem heruntergekommenen Gesundheitssystem abmüht. – „Jupp, am dritten Tag haben wir erfahren, dass alle drei Doktores im gleichen Krankenhaus arbeiten: Dr. Eisenbarth im Keller, Dr. Feelgood im zweiten und dritten Stockwerk und Dr.McCoy mit seiner Hochtechnologie in der zehnten Etage. Das ist ja schon Drei-Klassen-Medizin, oder?“
„Also, Ingo. Das haben wir doch heute schon: die einen sind die Kassenpatienten und warten wochenlang auf einen Termin. Die Privatpatienten können auf Luxusleistungen in hotelähnlichen Kliniken zugreifen und die technophoben Menschen flüchten zu den Heilpraktikern und Kräuterfrauen. Da brauche ich doch garnicht in die Zukunft schauen, sondern mir nur das Gesundheitswesen in USA ansehen. Bis vor kurzem gab es für 36 Millionen unversicherte Amerikaner nur die Minimalmedizin.“
„Mir kam am Ende dieser drei Szenarien plötzlich der Gedanke, ob unser Gesundheitssystem nicht wie ein Reparaturbetrieb im Kriegseinsatz funktioniert. Jupp, so wie im Lazarett die verwundeten Soldaten fit für den nächsten Kampfeinsatz gemacht werden, jagt unser Medizinbetrieb die an Körper und Geist beschädigten Menschen nach gelungener Therapie wieder in den Dschungel des Lebens, wo sie erneut den krankmachenden Einflüssen ausgesetzt werden.“
„Ja, da ist schon was dran. Unser Patient wird mit seinem ausgeheilten Bein wieder Fußball spielen und sich ein weiteres Mal den Aggressionen seiner Gegner aussetzen. Er hätte vielleicht besser Schach spielen sollen.“ – „Aber dann fehlt ihm die Bewegung und er würde an Verkalkungen leiden.“
„Da hast du auch wieder recht, Ingo. Das Leben ist lebensgefährlich. Laß uns lieber mal die Leber trainieren, Prost. Und Bewegung hatten wir ja genug gehabt die letzten Tage. Tun dir auch so die Füße weh?“ – „Ja, aber wie Dr. Eisenbarth richtig sagte: Halten wir uns solange bei Laune, bis die Spontanheilung einsetzt. Prost, Jupp.“
Nachtrag: Wer die drei High-Noon-Szenen auf der Medica verpaßt hat, kann sich kurze Ausschnitte unter den folgenden Links anschauen: http://www.medica.de/KKC_2013 oder http://youtu.be/sF-0O3kvvXk. Das komplette Manuskript kann beim KrankenhausKommunikationsCentrum unter www.KKC.info angefordert werden.
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