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Das Amt für Nichtzuständigkeiten

von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

Vor kurzem traf ich Jupp vor seiner Garageneinfahrt. Er schleppte schwere Plastik­taschen ins Haus. „Na, Großeinkauf gemacht.“ – „Nein, der steht mir noch bevor. Dies sind erst die Vorbereitungen“ keuchte er.

Neugierig geworden half ich ihm beim Tragen. Erst jetzt erkannte ich, dass er keine Lebensmittel, sondern nur Prospektmaterial in seine Tüten gepackt hatte.

„Mensch, Jupp, was hast du gemacht? Du bist ja komplett ausgepumpt!“

„Ich war... – Grüne Woche Berlin – 25 Hallen - Gefühlte 42 Kilometer – Recherchen – Lebens.. mittel.. qualität.“

Ich ließ ihn erstmal zur Puste kommen. Bei einem starken Kaffee erhielt ich weitere Informationen. Auf der Grünen Woche hatte er Dutzende von Experten interviewt, hauptsächlich zum Thema Nudelqualität. Bei der Sonderschau des Bundesministe­riums für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz hat anscheinend der Frust vollends zugeschlagen.

„Lebensmittelsicherheit in Deutschland – ein Labyrinth. Fragst du einen Lebensmittel­experten nach Hühnerfleisch, ist er nicht zuständig. Er ist nur Spezialist für Pflanzenbehandlungsmittelrückstände im deutschen Brotgetreide, von Hühnern hat er keine Ahnung. Dafür ist ein anderer zuständig.“

- „Aber wir haben doch extra ein Ministerium für Ernährung, das sollte doch in der Lage sein, die Menge an Informationen über die EU-Verordnungen und Richtlinien sowie die Tausenden von Normen irgendwie zu koordinieren“ wagte ich möglicher­weise etwas zu naiv einzuwerfen.

„Der Bund hat vor vier Jahren ein Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebens­mittel gegründet. Schöne Sache, aber wenn du etwas über Fleisch wissen willst, mußt du zur Zweigstelle nach Kulmbach. Für Getreide ist Detmold zuständig, für Milch und Fisch Kiel und bei Obst und Gemüse mußt du nach Karlsruhe reisen.“

- „Aha, laß mich raten. Die häufigste Antwort auf deine Fragen war: Dafür sind wir nicht zuständig. Alles behördliche Spezialisten. Das kenne ich auch von anderen Ämtern.“ Jupp hatte mein Mitgefühl, nachdem ich mir schon bei  vielen Ange­legenheiten behördlicherseits die Füsse wundgelaufen hatte.

„Alles ist bei uns überbürokratisiert. Der Staat muß endlich etwas dagegen unternehmen. Wir brauchen dringend ein Amt für Nichtzuständigkeiten.“

- „Wie, noch ein Amt? Das gibt ja noch mehr Bürokratie.“ Mir leuchtete die Idee noch nicht ganz ein. „Und Nichtzuständigkeit - was soll das sein?“

„Das ist doch ganz einfach. Das ist eine Behörde, die für alles dann automatisch zuständig ist, wenn sich andere Ämter für nicht zuständig erklären. Sozusagen ein Rettungsamt, wenn du durch den Dschungel der Bürokratie irrst. Du suchst nicht mehr weiter, sondern gehst gleich zum Amt für Nichtzuständigkeiten. Die werden dann dein Problem zu lösen, indem sie den zuständigen Sachbearbeiter ausfindig machen.“

- „Tolle Idee. Aber dafür brauchst du doch wieder ein Riesen-Beamtenheer. Überleg doch mal, wo sich überall die Beamten für nichtzuständig erklären können.“

Auch hier hatte Jupp gleich eine Problemlösung parat: „Warum, Beamte haben wir doch genug. Gerade wurde vor drei Monaten die ZEP in Berlin aufgelöst. Die ist genau richtig für diese Aufgabe.“

Ich kannte zwar zappen und zippen, aber von ZEP hatte ich noch nichts gehört.

„ZEP ist das Zentrale Personalüberhangmanagement, ein Beamtenpool mit Tausenden von Beamten, die mit dem Arbeitsplatzvermerk „kw - kann wegfallen“ nicht mehr gebraucht wurden. Die hat der Berliner Finanzsenator gegründet. Nun muß er nach einem Gerichtsschluß diese Stelle bis 2013 wieder auflösen. Und wie macht er das?“

Jupp schaute mich herausfordernd an. Ich hatte keine Ahnung, wie man eine Behörde auflöst. Hat es so etwas überhaupt schon mal gegeben? Sonst gründet man doch immer neue Behörden und vergißt die alten. Wofür haben wir denn noch eine Bundesmonopolverwaltung für Branntwein oder ein Bundesjazzorchester? Die folgende Antwort von Jupp gab mir aber den Glauben an das Parkinsonsche Gesetz wieder.

„Ganz einfach und genial: Man macht aus ZEP ein EZEP. Ich zitiere: Aufgabe des Ehemaligen Zentralen Personalüberhangmanagements (EZeP) ist die Abwicklung des früheren Zentralen Personalüberhangmanagements (Stellenpool) und die Versetzung der ihm unterstellten Personalüberhangkräfte nach Maßgabe der gesetz­lichen Bestimmungen. Jetzt brauchen wir einfach nur die ehemaligen ZEP-Beamten mittels EZEP ins ANZ versetzen.“

Jupp mußte meinen fragenden Blick bemerkt haben, denn er setzte gleich fort: „ANZ - na, das ist mein Amt für Nichtzuständigkeiten. Davon rede ich doch die ganze Zeit. Damit hätte ich mir heute eine Menge Zeit einsparen können.“

Ach ja, Jupp war ja auf der Grünen Woche. „Was hast du denn da überhaupt gemacht? Du bist doch sonst nie dahingefahren.“

Ja, was hat Jupp auf der Grünen Woche gemacht? Die Antwort erfahren wir im nächsten Blog.

Ingo Nöhr

 

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